Anpassung an gesellschaftliche Entwicklung

Donnerstag, 28. November 2024 - Gregor Gubser
Die Einordnung einer Erwerbstätigkeit als selbständig oder unselbständig ist nicht trivial und wird auch durch den gesellschaftlichen Wandel nicht ­einfacher. Doch auch Vorstösse, die einen weiteren Status fordern, versprechen keine einfache Lösung.

Die Unterscheidung in Angestellte (unselbständig Erwerbstätige) und Selbständigerwerbende führt zu unterschiedlicher Abrechnung mit der Ausgleichskasse und zu einem etwas geringeren Sozialversicherungsschutz für Selbständige (siehe Artikel Dudle-Ammann). Insbesondere wenn die Vertragsparteien sich für ein Auftragsverhältnis und nicht für ein Angestelltenverhältnis entschieden haben, kann das zu Auseinandersetzungen mit der Ausgleichskasse führen, falls diese anhand der in der Praxis und vom Bundesgericht entwickelten Kriterien zu einem anderen Schluss kommen (siehe Artikel Riedi). Das Ziel der Ausgleichskassen ist dabei, eine korrekte Unterstellung sowie den Sozialversicherungsschutz der Erwerbstätigen zu gewährleisten und Scheinselbständigkeit zu verhindern.

Zusätzlicher Status für Plattformarbeit

Immer wieder werden die angewandten Kriterien zur Feststellung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit infrage gestellt. Eine ausführliche Analyse der Faktoren, die eher für oder gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrags sprechen, haben Frédéric Barth und Isabelle Wildhaber erstellt [1]. Sie stellen zunächst fest, dass sich die Arbeitswelt verändert hat und sich weiterhin verändert und insbesondere die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort zunimmt, Hierarchien an Bedeutung verlieren und vermehrt Arbeiten in Form von Plattformarbeit ausgelagert werden.

Im Weiteren analysieren sie die Aussagekraft der einzelnen Kriterien und stellen fest, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit respektive das selbst getragene wirtschaftliche Risiko die grösste Bedeutung hat. Schliesslich stehen sie dem Vorschlag offen gegenüber, eine Zwischenkategorie einzuführen, die «die soziale Verantwortung interessengerecht zwischen Dienstleistungserbringer und -empfänger verteilt». Wie genau dieser Status auszugestalten wäre, klären weder dieser Aufsatz noch eine Motion von Philippe Natermod [2] oder ein Postulat [3] der FDP-Fraktion.

In Reaktion auf die beiden Vorstösse hat der Bundesrat den Bericht «Digitalisierung – Prüfung einer Flexibilisierung des Sozialversicherungsrechts» verfassen lassen, darin heisst es, «dass die Frage, ob eine Person unter einen solchen neuen Status fallen würde oder nicht, zu neuen Abgrenzungsschwierigkeiten und langdauernden Streitigkeiten führen würde». Das Ziel einer einfacheren Handhabung und der Schaffung von Planungs- und Rechtssicherheit würde verfehlt. Der Bundesrat teilt schliesslich mit, er erachte die beitragsrechtliche Unterscheidung der Selbständigerwerbenden von den Unselbständigerwerbenden als genügend flexibel. Sie könne alle Beschäftigungsformen – auch die der Plattformökonomie – abdecken.

Parteiwillen höher gewichten

Eine andere Stossrichtung hat Jürg Grossen gewählt. Er will es bei den bisherigen Stati belassen und stattdessen der Absicht der beteiligten Parteien mehr Gewicht einräumen. Über seine parlamentarische Initiative (18.455) spricht er im Interview mit Penso.

 

[1] Barth, F., & Wildhaber, I. (2022). Was ist ein Arbeitsvertrag? – Abgrenzung des Einzelarbeitsverhältnisses von anderen Dienstleistungsverträgen in der Arbeitswelt 4.0.
[2] Motion Natermod (22.3630), Neuer Status für Selbständige in Plattform-Beschäftigung – soziale Absicherung sicherstellen.
[3] Postulat (17.4087), Digitalisierung. Ein neuer Status für den Arbeitsmarkt?

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