Auf Arbeitgeberseite hat sich nichts geändert

Montag, 10. Mai 2021 - Claudio Zemp
Anspruchsvolle Teilzeitstellen sind gesucht: Das Angebot an Stellen kann die Nachfrage nicht decken. Andy Keel zieht nach dem Verkauf seines Teilzeit-Stellenportals Bilanz.

Nachgefragt bei Andy Keel, Unternehmer und Gründer von teilzeitkarriere.ch

Herr Keel, die Nachfrage nach Teilzeitstellen ist so gross wie nie, warum haben Sie Ihr Portal www.teilzeitkarriere.ch ausgerechnet jetzt verkauft?

Ganz offen und ehrlich: Mir ist nach gut zehn Jahren schlicht die Lust am Thema Diversity etwas vergangen. Das Portal teilzeitkarriere.ch war seit dem ersten Tag ein philanthropisches Projekt. Ökonomisch war es kein Erfolg. Solche Projekte gehen so lange gut, wie man Freude an der Sache hat.

Wieso haben Sie den Spass verloren?

Es bewegt sich zu wenig. Auf der Arbeitgeberseite hat sich praktisch nichts bewegt in den letzten Jahren. Alle Unternehmen machen zwar Homeoffice und reden von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Doch der Goodwill für Gleitzeit hört da auf, wo es keine Zeiterfassung mehr gibt. Nach wie vor gibt es viel zu wenige Teilzeitstellen und vor allem zu wenige qualifizierte Jobs in Teilzeit. Die Anzahl Stellen steigt zwar im Verhältnis; jede dritte Person arbeitet unterdessen in Teilzeit, es fehlen aber nach wie vor Stellen.

Gibt es keine positive Note?

Doch. Auf der Arbeitnehmerseite war die Situation 2011, als wir die Initiative «Teilzeitmann» lanciert haben, ganz anders. Teilzeitmänner sind heute fast bei 19%. Das sind 150 000 Teilzeitmänner mehr als beim Start. Bei den Frauen arbeiten nach wie vor 80% aller Mütter gar nicht oder in Teilzeit. Und zwar ein Leben lang. Das ist Schweiz-typisch und dort hat sich im Übrigen weniger geändert als bei den Männern.

Was bleibt von Ihren Initiativen?

Dank der Nummer zwei auf dem Stellenmarkt, x-28, die das Portal übernommen hat, lebt die Stellenbörse weiter. Sie hat einen frischen Auftritt erhalten und das ist auch wichtig für die Arbeitgeber. Es gibt in der Schweiz ein Potenzial und genug Traffic. Ich bin auch froh, dass die vor drei Jahren lancierte Plattform www.doit-smart.org als selbst organisierte Freelancer-Börse weiter existiert. Dort bieten freiberufliche Frauen und Männer Beratung in Gender Diversity, Job-Sharing und so weiter an. Auch dieses Projekt wurde übrigens, wie «Teilzeitmann» damals, vom Eidgenössischen Büro für Gleichstellung (EBG) gefördert.

Ein Schlusswort, wenn Sie auf Ihr Engagement zurückblicken?

In der Schweiz möchten alle Vollkaskounternehmer werden, angestellt und frei arbeiten, das Fünfi und das Weggli haben. Aber es braucht im Leben auch mal den Mut für Veränderungen. Im Berufsleben ebenso wie im Privaten. Teilzeit ist eine gute Sache, und ich trauere nichts nach.

 

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