Bezahlter oder unbezahlter Urlaub

Donnerstag, 07. September 2023 - Kurt Häcki
Zu einem flexiblen Lebensentwurf kann ein längerer Urlaub zählen, in dem Inspiration und Energie ­gesammelt werden können. Ob ­dieser Urlaub bezahlt oder unbezahlt bezogen werden kann, spielt auch für die Sozialversicherung eine Rolle, wie die Beispiele von Max und Moritz zeigen.

Max und Moritz Müller arbeiten seit ein paar Jahren bei der Firma Wilhelm Busch AG. Sie sind jünger als 65 Jahre und arbeiten jeweils mit einem Pensum von mehr als 8 Stunden pro Woche. Beide planen einen längeren, mehrmonatigen Urlaub. Max kann einen bezahlten Urlaub beziehen, Moritz einen unbezahlten Urlaub.

Nachfolgend werden die Auswirkungen eines längeren Urlaubs oder Sabbaticals auf verschiedene Sozialversicherungen dargelegt.

Obligatorische Unfallversicherung

Für Moritz Müller endet die UVG-Versicherungsdeckung am 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört. Diese Nachdeckungsfrist von 31 Tagen läuft, unbesehen der Tatsache, ob eine Abredeversicherung abgeschlossen wurde oder nicht. Seine Arbeitgeberin, die Wilhelm Busch AG, muss ihn über die Möglichkeit des Abschlusses einer Abredeversicherung informieren. Moritz Müller muss dazu mit dem Unfallversicherer innerhalb der Nachdeckungsfrist Kontakt aufnehmen.

Für die Behandlung eines Unfalls im Ausland wird höchstens der doppelte Betrag der Kosten vergütet, der bei einer Behandlung in der Schweiz entstanden wäre. Nach Ablauf der Abredeversicherung (180 Tage) sind die Folgen eines Unfalls durch die obligatorische Krankenversicherung gedeckt (zum Beispiel Heilungskosten). Eine weitergehende Unfalldeckung muss Moritz Müller mit einer Privatversicherung lösen.

Bei Max Müller stellen sich diese Fragen und Aufgaben nicht, da er während des bezahlten Urlaubs Anspruch auf (mindestens den halben) Lohn hat.

Obligatorische Krankenversicherung

Da Max und Moritz Müller lediglich auf einen mehrmonatigen Urlaub gehen, behalten sie ihren Wohnsitz in der Schweiz. Sie unterstehen weiterhin der obligatorischen Krankenversicherung.

Moritz Müller muss aber wegen des Wegfalls der NBU-Deckung bei seinem Krankenversicherer die Sistierung der Unfalldeckung aufheben lassen. Die Arbeitgeberin muss ihn darauf hinweisen (Informationspflicht).

Max wie auch Moritz Müller sollten sich bei ihrem jeweiligen Krankenversicherer über Zusatzdeckungen für das Ausland informieren. Bei Behandlungen im Ausland ist zu unterscheiden zwischen Kosten für Leistungen, die in oder ausserhalb eines EU-/EFTA-Staats erbracht wurden. Für Leistungen in EU-/EFTA-Ländern werden die gleich hohen Kosten vergütet wie bei den in diesem Land versicherten Personen. In den anderen Ländern werden die Kosten von medizinischen Notbehandlungen bis höchstens zum doppelten Betrag übernommen, die diese Leistung in der Schweiz gekostet hätte.

Kollektive Krankentaggeldversicherung

Für Max Müller hat der bezahlte Urlaub keine negativen Auswirkungen auf den Versicherungsschutz.Bei Moritz Müller steht sein Arbeitgebender nicht in der Lohnfortzahlungspflicht, solange das Arbeitsverhältnis ruht. Je nach Bestimmungen des (privaten) Versicherungsvertrags kann Moritz Müller den Versicherungsschutz auf eigene Kosten in einem bestimmten Umfang weiterführen. Sein Arbeitgebender ist verpflichtet, ihn über sein Recht aufzuklären, dass er in die Einzeltaggeldversicherung übertreten kann.

Berufliche Vorsorge

Wiederum hat bei Max Müller der bezahlte Urlaub keine Auswirkung auf die Unterstellung unter die berufliche Vorsorge. Bei Moritz Müller gilt für die Risiken Tod und Invalidität eine Nachdeckungsfrist von einem Monat. In der Regel endet der Sparprozess für die Altersvorsorge. Je nach reglementarischen Bestimmungen kann Moritz Müller auf eigene Kosten die Deckung der Risiken Tod und Invalidität über den Monat hinaus für eine bestimmte Zeit weiterführen, andernfalls hat die Pensionskasse nach mindestens 6 Monaten wie im Freizügigkeitsfall abzurechnen. Ebenso kann er sich bei der Pensionskasse über den Einkauf der Altersleistungen informieren. Entsprechende Bestimmungen sind im Pensionskassenreglement festgehalten.

Familienzulagen

Nur bei Moritz Müller stellen sich Fragen zum Anspruch auf Familienzulagen. Er erhält während des unbezahlten Urlaubs die Familienzulagen für den laufenden und die folgenden drei Monate, sofern sein Bruttojahreslohn mindestens 7350 Franken beträgt (halber jährlicher Betrag der minimalen vollen Altersrente der AHV; Stand 2023).

Beitragspflicht an die AHV/IV/EO

Der unbezahlte Urlaub hat wiederum nur bei Moritz Müller Auswirkungen. Der mehrmonatige, unbezahlte Urlaub führt im entsprechenden Kalenderjahr zu tieferen Lohnbeiträgen an die AHV, IV und EO und allenfalls im Ereignisfall zu einem tieferen durchschnittlichen Jahreseinkommen mit Auswirkungen auf die Höhe seiner Rente. Je nach Dauer des unbezahlten Urlaubs sind von Moritz Müller AHV/IV/EO-Beiträge als Nichterwerbstätiger zu entrichten. Ein Einkauf der «fehlenden» Beiträge ist bei der AHV nicht möglich (siehe Artikel Bollier).

Arbeitslosenversicherung

Solange das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst ist, kommt die Arbeitslosenversicherung nicht zum Zug. Moritz Müller müsste bei einer allfälligen späteren Arbeitslosigkeit beachten, dass die ganzen Monate des unbezahlten Urlaubs nicht als Beitragszeit zählen (keine ALV-Beiträge entrichtet). Diese Monate werden auch nicht bei der Berechnung des versicherten Verdienstes berücksichtigt.

Lohndeklaration des Arbeitgebenden

Der Arbeitgebende hält auf der Lohndeklaration von Moritz Müller zuhanden seiner AHV-Ausgleichskasse einerseits den verminderten Bruttolohn fest (unbezahlter Urlaub) und andererseits die Beschäftigungsdauer vor und nach dem unbezahlten Urlaub, damit diese den Beitrag an die Arbeitslosenversicherung korrekt berechnen und erheben kann.

Fazit

Max Müller muss sich nur bei seinem Krankenversicherer über die Versicherungsdeckung bei Reisen ins Ausland informieren und absichern. Moritz Müller muss sich hingegen bei fast allen Sozialversicherungen Gedanken machen, wie er sich absichern kann.

Weniger Unsicherheiten und Verwaltungsaufwand verursacht also ein bezahlter Urlaub. Das allein ist nicht ausschlaggebend, ob ein bezahlter oder unbezahlter Urlaub gewährt wird, schon gar nicht aus Sicht des Unternehmens. Denn mit einem längeren bezahlten Urlaub würden weiterhin die vollen Lohnkosten samt Sozialversicherungsbeiträgen anfallen, während der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt. Diese fehlende Arbeitsleistung müsste allenfalls durch Mehrleistung von Kollegen oder eine temporäre Anstellung erbracht werden. Letztlich müsste das Personalreglement entsprechend ausgestaltet sein, um eine faire Behandlung aller Angestellten zu gewährleisten.

Take Aways

  • Bezahlter Urlaub ist für alle Beteiligten unkomplizierter. Die Deckung der obligatorischen Sozialversicherungen bleibt uneingeschränkt erhalten.
  • Wird unbezahlter Urlaub bezogen, hat das Folgen, und die versicherte Person muss sich Gedanken über die Weiterführung von Versicherungsdeckungen oder private Versicherungslösungen machen.
  • Wird die Lohnzahlung ausgesetzt, treffen das Unternehmen Informationspflichten zur Abredeversicherung des UVG, zur Aufhebung der Sistierung der NBU-Versicherung bei der Krankenversicherung oder zum Übertritt von der kollektiven in die Einzeltaggeldversicherung.
  • In jedem Fall sollte für Auslandaufenthalte eine Deckung für medizinische Behandlungen geprüft werden, die über die gesetzliche Deckung hinausgeht.

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