BGM auch in KMU

Montag, 25. März 2024 - Thomas Brändli
Wenn im Sinne der Gesundheit «Let’s Talk»-Karten, «Raum für Offenheit» oder Schauspieler auf Mitarbeitende treffen, damit gesunde Mitarbeitende auch gesunde KMU bedeutet.

Beim betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) steht die Gesundheit am Arbeitsplatz im Zentrum. Sie ist eine zentrale Voraussetzung für die Leistungs- und Innovationsfähigkeit eines Unternehmens, hat einen Einfluss auf die Produktivität und reduziert die Kosten, sowohl für das Unternehmen wie auch für die Öffentlichkeit. Mit einem nachhaltigen BGM schaffen Unternehmen gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse, um die Gesundheit der Mitarbeitenden langfristig zu erhalten und zu stärken. Gesunde und motivierte Mitarbeitende beeinflussen die Kundenzufriedenheit und sind nachweislich 31% produktiver.[1] Bei Unternehmen mit einem motivierenden Betriebsklima steigt die Arbeitgeberattraktivität um 21%.[2]

Gegensteuer bei den Gesundheitskosten

Die Gesundheit von Berufstätigen liegt nicht nur im Interesse der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, sondern auch der Krankenversicherer und der Gesellschaft im Allgemeinen. Die Groupe Mutuel, ein Label-«Friendly Work Space»-Unternehmen (siehe Kasten), befürchtet, dass nichts weniger als das Schweizer Gesundheitssystem gefährdet sei, wenn die Erhöhung der Krankenkassenprämien nicht eingedämmt würde.[3] «Die Prämien folgen den Gesundheitskosten», sagte Thomas Boyer, CEO der Groupe Mutuel. Das Sparpotenzial sei mit Blick auf die Ausgaben enorm. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung betragen in der Schweiz rund 90 Mrd. Franken. Neben diversen Sparmöglichkeiten spricht sich der CEO auch für mehr Prävention aus: «Würden nur 10% gespart, wären dies bereits rund 9 Mrd. Franken.» Hier setzt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (siehe Kasten) an.

Kreativität im BGM

Auffälligkeiten im Bereich der psychischen Gesundheit oder hinsichtlich Absenzen gegenüber Mitarbeitenden unbefangen und konstruktiv anzusprechen, ist für viele Führungskräfte ein «rotes Tuch». Um diese Herausforderung erfolgreich zu meistern, bietet z.B. die Bell Food Group ihren Mitarbeitenden mit Führungsverantwortung ein Training in Theaterformat an. Bei Bell arbeiten Menschen aus über 70 Nationen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Sprachkenntnissen und Bildungsniveaus. Hinzu kommt das breite Spektrum der Arbeitsfelder von der Produktion über die Logistik bis hin zu Büroarbeitsplätzen,
was entsprechend vielfältige Gesundheitsthemen mit sich bringt. Mit ihrem «Training Absenzenmanagement», bei dem ein Teil als Forumtheater stattfindet, hat die Firma ein Format gefunden, das dieser Heterogenität gerecht wird. Das Training wird in Workshops mit max. 25 Teilnehmenden auf Deutsch und Französisch durchgeführt.

Label «Friendly Work Space»

Zur Label-«Friendly Work Space»-Community zählen zurzeit 107 Unternehmen und Organisationen, u.a. die SBB, Swisscom, SWICA, Kambly, der Flughafen Genf, die VBZ, die Suva oder KMU wie menu and more, das Alterszentrum Büel oder Fröhlich Architektur. Unternehmen, die ihr BGM zertifizieren lassen und bereit sind, ein entsprechendes Assessment zu durch­laufen, beweisen starkes Engagement für die (psychische) Gesundheit ­ihrer Mitarbeitenden – nach innen wie nach aussen. Gleichzeitig ­werden sie damit Teil einer starken Community mit anderen zertifizierten Betrieben sowie unabhängigen, externen Experten. «Friendly Work Space»-Unternehmen profitieren u.a. von Events, Weiterbildungen, Vorzugskonditionen oder der unentgeltlichen Teilnahme an ­nationalen Kommunikationskampagnen. Sie profitieren vor allem aber auch von einem branchenübergreifenden Erfahrungsaustausch und der Vernetzung.

friendlyworkspace.ch/de/das-label

Gesundheits-förderung Schweiz

Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz engagiert sich neben zahlreichen Versicherern, der Suva und anderen ­Akteuren u.a. für die psychische Gesundheit von Erwerbs­tätigen. Mit dem Label «Friendly Work Space», dem Schweizer Qualitätsstandard für systematisch umgesetztes betrieb­liches Gesundheitsmanagement (BGM), den BGM-Services oder einem Netzwerk von unabhängigen, akkreditierten ­Beratenden unterstützt die Stiftung Organisationen und ­Betriebe beim ­Aufbau eines (systematischen) BGM. Ihre ­Angebote wurden mit Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt und optimiert. Die privatrechtliche Stiftung hat einen gesetzlichen Auftrag und finanziert sich durch ­öffentliche Gelder.

Gesundheitsförderung Schweiz
BGM
BGM-Services
Akkreditierte Beraterinnen und Berater

Im Theater-Setting mit Bühne und Zuschauerraum ­spielen Profischauspielerinnen und -schauspieler unterschiedlichste Gesprächsszenen, z.B. zu Rückkehrgesprächen, Gesundheitsproblemen oder Wohlbefinden im Arbeitsumfeld. Die Teilnehmenden können ihre Rolle zwischen Publikum und Mitspielenden frei wählen. Alle dürfen, niemand muss. «Genau diese Freiwilligkeit ist ein Erfolgsgeheimnis des Formats, das von unseren Mitarbeitenden sehr positiv aufgenommen wird. Denn auch wer ‹nur› zuschaut, nimmt wertvolle Anregungen und Ideen mit. Die Vermittlung der theoretischen Grundlagen zum Absenzenmanagement wird in einem separaten, moderierten Teil des Trainings vermittelt», erläutert Daniel Strub, Leiter Payroll und HR-Services bei der Bell Food Group. Das Trainingskonzept wurde gemeinsam mit Unterstützung der SWICA erarbeitet. Die Bell Food Group zählt seit 2016 zur «Friendly Work Space»-Community. Dazu Strub: «Wir schätzen die Unterstützung, die das Label ‹Friendly Work Space› mit sich bringt. Sowohl die kontinuierlichen Tipps und Anregungen für eine konsequente BGM-Planung und -Evaluation durch unabhängige Experten als auch der Austausch innerhalb der Community sind für uns eine wichtige Quelle für die stete Weiterentwicklung unseres BGM.»

KMU im Fokus

Knappe Personal- und Zeitressourcen sind häufig das grösste Hindernis, wenn es um den Aufbau einer systematischen Gesundheitsförderung geht. Gefragt sind daher einfach einsetzbare Tools und schnell wirksame Lösungen ohne Kostenfolge. Daher stehen KMU bei Gesundheitsförderung Schweiz im Fokus. Mit den beiden Angeboten «Leadership-Kit für Führungskräfte» und «HR-Toolbox für HR-Verantwortliche» haben KMU Hilfsmittel und Lösungsansätze zur Hand, die sie schnell, einfach, niederschwellig und grösstenteils kostenlos einsetzen können. Die Tools wurden speziell für KMU konzipiert, können aber auch von Teamleiterinnen und Teamleitern in grösseren Unternehmen genutzt werden.

Das Leadership-Kit ermöglicht es, positiv auf das Wohlbefinden und die Zusammenarbeit der Teammitglieder einzuwirken. Wissenschaftlich fundierte Inhalte und alltagstaugliche Tools – wie z.B. der «Führungs-Check», die ­Karten-Sets «Get started» und «Let's Talk» oder die «Jahres-Challenge» – helfen dabei, Handlungsbedarf zu identifizieren und in fünf spezifischen Aktionsfeldern der stärkenden Führung tätig zu werden. Zu den Firmen, die das Leadership-Kit bereits einsetzen und Erfahrungen gesammelt haben, gehören z.B. Liip, E-Gestion, Loyco oder Pomcanys.

Die HR-Toolbox unterstützt HR-Verantwortliche in den Themenfeldern Handeln – mit konkreten Tools für z.B. ­Homeoffice, gesunde Führung, Konflikte und Mobbing – sowie Verstehen – mit Kompaktwissen für das positive Einwirken auf Bereiche wie Absenzen, Stress, Motivation oder Arbeitgeberattraktivität. Sie bietet nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Werkzeuge und Checklisten, welche die HR-Fachleute direkt und einfach in ihrer täglichen Arbeit einsetzen können.

Auch beim Softwareunternehmen Edorex AG sind die KMU-Tools bereits in den Arbeitsalltag integriert. «Seit der Transformation zur agilen Organisation mit selbstorganisierten Teams sind die Hierarchien im Unternehmen sehr flach, was den Mitarbeitenden viel Freiraum lässt. Gleichzeitig sind die Anforderungen an deren Selbstmanagementkompetenz stark gestiegen. Das birgt auch Risiken wie eine erhöhte Stressbelastung. Um die Teams punktuell zu unterstützen, nutzen wir die neuen Tools von Gesundheitsförderung Schweiz», so Nina Zumstein, People & Culture Coach beim Softwareunternehmen. Eingesetzt wird z.B. das Tool «Raum für Offenheit» aus dem Leadership-Kit. Der Name ist Programm. Dieses Tool stärkt die psychologische Sicherheit und schafft ein offenes Gruppenklima, in dem z.B. auch Unangenehmes oder unausgereifte Ideen Platz haben. Eine entsprechende Fragen-Checkliste unterstützt die Teamleitung dabei, diese offene Atmosphäre in einem Team-Meeting zu generieren. Zumstein nutzt Auszüge aus dem Fragenkatalog unter anderem für die Gestaltung von Teamentwicklungs-Workshops. Ihr Fazit: «Ich bin begeistert von diesem Angebot für Führungskräfte und HR-Verantwortliche. Es ist so niederschwellig, dass jedes KMU und vor allem dessen Mitarbeitende davon profitieren können.»

Links zu Hilfsmitteln ...

Leadership-Kit
HR-Toolbox

... und Referenzen

Liip
E-Gestion
Loyco
Pomcanys

[1] Metastudie: Lyubomirsky, King & Diener, 2005.
[2] Studien der Universität St. Gallen, Bruch et al. 2010/2011.
[3] Gemäss Wirtschaftsnews-Portal muula.ch.

Take Aways

  • Gesunde Mitarbeitende sparen dem Unternehmen, den Krankenversicherern und der Gesellschaft viel Geld. Zudem sind sie produktiver und kreativer.
  • BGM ist dank einfachen Hilfsmitteln, wie sie von der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz angeboten werden, auch für KMU anwendbar.

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