Das Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht (JaSo), das seit dem Jahr 2012 erscheint, ist ein geschätztes und häufig konsultiertes Medium. Es greift in seinen jeweiligen Editionen die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts auf und würdigt diese kritisch. Daneben setzt es sich stets in wissenschaftlichen Beiträgen mit aktuellen Fragestellungen auseinander. Die Autorenschaft der einzelnen Artikel liest sich auch in diesem Jahr wie das Who’s who der Sozialversicherungsszene.
Ein bewährtes Konzept
Das JaSo 2022 behält das Konzept der vorhergehenden Editionen bei und geht in den ersten beiden Hauptteilen auf die Entwicklungen in der Gesetzgebung und in der Rechtsprechung ein. Im einleitenden Teil zur Gesetzgebung werden die per 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Bestimmungen gewürdigt; daneben werden die wichtigsten Reformvorhaben dargestellt, insbesondere die Stabilisierung der AHV und der beruflichen Vorsorge. Dieser erste Buchteil wurde von Mitherausgeberin Stefanie J. Heinrich verfasst, die Juristin in Komplexschaden UVG/Case Management ist. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Sozialversicherungsrecht von Juli 2020 bis Juli 2021 wird umfassend aufgegriffen, systematisch dargestellt und von der Herausgeberin und dem Herausgeber kritisch evaluiert. Im dritten Teil des JaSo finden sich wie gewohnt verschiedene Artikel zu einer Reihe von praxisbezogenen Basisfragen. Das JaSo gibt somit einen umfassenden Einblick in die Rechtsfortbildung im sich schnell wandelnden Gebiet.
Aktuelle Themen im Schlaglicht
Rechtskonsulent Jürg Brechbühl, der für den Herausgeber Prof. Marc Hürzeler arbeitet, widmet sich in seinem Aufsatz der Entwicklung der Erwerbsersatzordnung und geht dabei von der Mutterschaftsversicherung bis zur Adoptionsentschädigung. Darauf folgt der auf Sozialversicherungsrecht spezialisierte Jurist und Fürsprecher Thomas Ackermann, der sich ausführlich Gedanken macht zur Mitwirkungs- und Schadensminderungspflicht sowie zum Untersuchungsgrundsatz, der bedeutet, dass der Staat den Sachverhalt von Amts wegen und umfassend abzuklären hat. Nathalie Lang, Rechtsanwältin mit einem CAS in Haftpflicht- und Versicherungsrecht, fokussiert sich auf eine Problematik, die erst durch die Pandemie geschaffen wurde, und zwar Long Covid – ein leidiges Thema mit einem völlig neuen Krankheitsbild. Lang behandelt weniger dessen medizinische Eigenheiten, als vielmehr die sich daraus ergebenden Herausforderungen für das Versicherungsrecht. In einem weiteren Beitrag beugt sich Juristin Ursula Uttinger, die auch Datenschutzspezialistin ist, über die Revision des Datenschutzgesetzes und dessen Auswirkungen auf die Sozialversicherungen in der Schweiz. Aline Kratz-Ulmer schliesslich schreibt zur Pension Fund Governance – einem wiederkehrenden Thema, das die Rechtsanwältin unter Berücksichtigung der aktuellen Diskussion rund um das Pension Fund Diversity Management analysiert. Mitherausgeber Marc Hürzeler, Professor an der Universität Luzern, liefert den Lesenden ein Update zur Vorleistungspflicht nach Art. 26 Abs. 4 BVG. Last, but not least unterzieht Mitherausgeber Ueli Kieser gemeinsam mit Kaspar Gehring, der auch wie ersterer Rechtsanwalt ist, das Anrechnungsprinzip in der beruflichen Vorsorge einer kritischen Würdigung.
Das Ganze wird abgerundet durch ein ausführliches Stichwortverzeichnis, durch das sich der Inhalt des Sammelbands gut erschliessen lässt, wenn man dazu auch noch das Inhaltsverzeichnis zur Hand nimmt.
Bestechend analytisch und topaktuell
Das JaSo 2022 überzeugt – wie auch in den vorangegangenen Jahren – durch fundierte und nuancierte Analysen und seine praxisnahe Aktualität und juristische wie soziale Relevanz.
Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht
Kieser, Ueli; Hürzeler, Marc;
Heinrich, Stefanie J. (Hrsg.).
Dike Verlag AG.
Zürich/St. Gallen 2022.
220 Seiten. 54.00 CHF.
ISBN 978-3-03 891-439-6