Vorbei sind die Zeiten, in denen unverheiratete Frauen mit Fräulein angesprochen wurden oder verheiratete die Zustimmung des Ehemanns für die Erwerbsaufnahme brauchten. Was geht den Arbeitgebenden der eigene Beziehungsstatus an, mögen viele denken, und Ratschläge oder gar Vorschriften braucht doch eh niemand.
Melde- und Informationspflichten der Unternehmen
Persönliche Zivilstandsangaben braucht der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Meldepflichten. So ist der Zivilstand relevant für den Quellensteuertarif, das Entstehen oder den Wegfall einer Kinderzulagenberechtigung sowie zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Überstunden.
Aber soll der Arbeitgeber beraten? Sicher werden HR-Verantwortliche keinen bestimmten Zivilstand vorgeben oder empfehlen, doch über die versicherungsmässigen Konsequenzen zu orientieren ist angebracht. Ja, es ist patronale Pflicht, Neueintretende über die aktuellen Anstellungsbedingungen und den Versicherungsschutz zu orientieren. So, dass die Mitarbeitenden anhand des PK-Ausweises die Auswirkungen auf das momentane und spätere Leben abschätzen können und bei Veränderungen nichts verpassen.
Frauen dürfen sich nicht von Ehemännern abhängig machen
Aktuell erleben wir einen gesellschaftlichen und nachfolgenden sozialversicherungsmässigen Umbruch. Höchstrichterlich ist unlängst entschieden worden, dass die Schweiz das aus dem 18. Jahrhundert stammende Bild der Hausfrau nicht mehr will. So wird nach der Praxisänderung des Bundesgerichts nicht automatisch der Mann zu Unterhaltszahlungen verpflichtet und die Ex-Frau bekommt Alimente. Und das fast unabhängig davon, ob kleine Kinder da sind oder nicht. Begründet wurde das damit, weil nach langjähriger Arbeitspause eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar sei. Der Bundesgerichtsentscheid ist keine Gesellschaftspolitik, sondern eine Angleichung der Rechtsprechung an die gelebte Realität. Der «Hafen der Ehe» ist keine dauerhafte finanzielle Lebensabsicherung für Frauen mehr. Eigenvorsorge ist angesagt in der Zeit der geteilten Sorge, der alternierenden Obhut.
Heute wird bei der Scheidung, wenn Kinder aus der Ehe hervorgingen oder die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat, nicht automatisch «lebensprägend» mit einer daraus folgenden Alimentenzahlung angenommen, sondern, die Berufsaussicht der haushaltführenden Person wird individuell geprüft. Das hält das Bundesgericht einstimmig fest. Das kann, muss aber nicht, die Frau sein. Umso wichtiger ist eine (fast) dauerhafte (Teilzeit-)Anstellung. Das bleibt möglich, wenn Arbeitgebende entsprechende Stellen für den Wiedereinstieg oder Nie-Ausstieg anbieten. Es wirkt sich nicht nur positiv auf die Arbeitsmarktfähigkeit und Karriere der Person aus, sondern vermeidet Unverheirateten fehlende Beitragsjahre und spätere Rentenkürzungen. Bundesrichter Nicolas van Werdt nennt das «Kippschaltereffekt» und hält es nicht mehr für zeitgemäss, da es zu inadäquaten Entscheiden führe.
Somit ist bei einer Scheidung zu prüfen (schön, wenn der Arbeitgeber wenig bewanderte Personen darauf aufmerksam macht):
- Rentensplitting;
- Erziehungsgutschriften;
- Betreuungsgutschriften;
- Witwenrenten (auch geschiedene Frauen haben allenfalls Anspruch darauf).
Berufliche Vorsorge
Auch in der 2. Säule bringt die Mitteilung der Heirat nicht nur eine ab diesem Datum separate Erfassung der Sparbeiträge, sondern, bei Pensumsreduktion der einen oder anderen Partei, ein geringes Einkommen und damit allenfalls einen geringeren oder wegfallenden Versicherungsschutz. Vor allem, wenn der Koordinationsabzug nicht im Verhältnis zum Anstellungspensum reduziert wird. Darauf soll der Arbeitgeber explizit hinweisen oder den Versicherungsschutz (Risiko- und Altersvorsorge) auf geringere Einkommen ausweiten.
Sicher kann bei einer Stellenaufgabe der freiwillige Beitritt zur Auffangeinrichtung BVG überprüft werden. Damit liesse sich die obligatorische berufliche Vorsorge weiterführen, mit dem damit verbundenen Risikoschutz bei Invalidität und Tod und Alterssparen. Und bei einer späteren Erwerbsaufnahme liesse sich das Freizügigkeitskapital in die neue Vorsorgeeinrichtung einbringen. Nur wenn das Kapital die vollen reglementarischen Leistungen übersteigt, kann der Überschuss auf einem Freizügigkeitskonto bleiben. Punkte, die den meisten Personen nicht bewusst sind und die der neue Arbeitgeber oder ein von ihm engagierter Berater erläutern könnten.
Geringfügige Pensionskassenleistungen können ja nur durch nachträgliche steueroptimierte Einzahlungen, Erhöhung des Arbeitspensums bzw. Lohns oder durch eine Verlängerung der Erwerbstätigkeit über das ordentliche Rücktrittsalter hinaus vermieden werden. Bezüglich des ersten Punkts kann der Arbeitgeber orientierend aktiv werden, bei den weiteren durch entsprechende Personalpolitik sein Image stärken.
In der 2. Säule kommen schliesslich nicht nur Eheleute in den Genuss von Hinterlassenenleistungen. Je nach Reglement der Pensionskasse können auch Konkubinatspaare einander begünstigen. Voraussetzung ist, dass die Partnerschaft mindestens fünf Jahre gedauert und die Absicht gegenseitiger wirtschaftlicher Unterstützung beinhaltet hat. Schliesslich muss die Begünstigung der Pensionskasse gemeldet werden – und zwar vor Eintritt des Versicherungsfalls. Auch dies ein Thema, worüber das HR die Mitarbeitenden informieren sollte.
Konkrete Ereignisse für Gespräche nutzen
Einer Änderung des Beziehungs- oder Zivilstands folgt vielfach eine Pensums- oder Funktionsänderung. Das bedingt die Zustimmung des Arbeitgebers. Dies, wie auch die neu benötigten flexibleren Arbeitszeiten bei alternierender Obhut der Kinder, bedingt Gespräche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden. Gemeinsam lassen sich Lösungen suchen und vielfach finden. Sei es beim Vier-Augen-Gespräch oder einer Orientierungsveranstaltung, die auf Anfrage oder aus Anlass allgemeiner Veränderungen stattfindet (Bundesgerichtsentscheid, veränderte Anstellungsbedingungen).
Die direkte Ansprache der Führungskräfte bewährt sich, da diese näher bei den Mitarbeitenden sind und so individueller und zeitnäher beraten können. Auch Missverständnisse, die es zu korrigieren gilt, könnten Treiber solcher Kampagnen sein. Zum Beispiel kann ein Mann nicht automatisch davon ausgehen, dass die versicherungsmässigen Konsequenzen für ihn als Witwer die gleichen sind wie für seine verwitwete Frau (siehe Interview mit Yvonne Feri, Seite 20).
Mögliche Informationskanäle, um Mitarbeitende bezüglich der Sozialversicherungen zu erreichen:
- Gespräch auf Anfrage hin (beim internen Sozialdienst oder der HR-Fachperson);
- proaktiv angebotenes Gespräch bei vermuteten Fragen oder sichtbaren Schwierigkeiten sowie im Rahmen der jährlichen Personalgespräche;
- Merkblatt oder Linksammlung im Intranet und Personalhandbuch;
- Präsentation vor Neueintretenden, anlässlich der internen Führungsausbildung, freiwillig besuchbaren Kurzvorträgen in Randzeiten;
- Antwort auf Ergebnisse der Personalbefragung;
- stehende Rubrik in den Personalmitteilungen, der Hauszeitung, dem News-Mail.
Veränderungen bringen aktuell die bundesgerichtliche Rechtsprechung und parlamentarische Vorstösse (z. B. die parlamentarische Initiative «Ungleichbehandlung bei der Hinterlassenenleistungen beseitigen» von Corina Gredig vom 16. März 2021). Daher ist eine periodische Überprüfung und Anpassung angezeigt. Und vielleicht bringt der politische Rückenwind auch Bewegung, um andere Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichstellung zwischen den Geschlechtern und Zivilständen wegzuschaffen, ganz so, wie das in Art. 3 Abs. 1 des Gleichstellungsgesetzes postuliert ist. Zum Beispiel bei der Erhöhung des Rentenalters der Frauen, die mit einer gleichzeitigen Systemkorrektur der Teilzeitpensen in der 2. Säule besprochen werden muss.
Bundesgerichtsurteile zum Thema
– Grundsätze zu nachehelichem Unterhalt, Lebensprägung bzw. 45er-Regelung: BGE 5A_907/2018 vom 3. Februar 2020 und BGE 5A_104/2018 vom 2. Februar 2021.
– Berechnung Kindesunterhalt, ehelicher Unterhalt, nachehelicher Unterhalt: BGE 5A_311/2019 vom 11. November 2020, BGE 5A_891/2018 vom 2. Februar 2021 und BGE 5A_800/2019 vom 9. Februar 2021.
Take-Aways
- Das Unternehmen muss den Zivilstand seiner Angestellten kennen, um Meldepflichten z. B. bei Quellensteuer oder Familienzulagen nachzukommen.
- Er kann seinen Angestellten auch wichtige Informationen zum Sozialversicherungs-Schutz je nach Zivilstand zukommen lassen.
- Eine Änderung des Zivilstands kann Anlass für ein Gespräch sein, in dem allfällige Anpassungen am Pensum oder in der Sozialversicherung besprochen werden.