Taggeldleistungen wirken sich negativ auf AHV-Renten aus
Der Umgang mit Taggeldern der Kranken- und Unfallversicherung bei Lohnabrechnungen führt oft zu Problemen. Das müsste nicht sein, es gäbe eine einfache Lösung.
Für den Lohnausfall bei Krankheit gibt es in der Schweiz – anders als etwa bei Unfall oder Mutterschaft – keine obligatorische Versicherung. Arbeitgebende und Arbeitnehmende sind somit frei, ob sie eine Krankentaggeldversicherung (KTGV) abschliessen wollen oder nicht. Es gibt jedoch Gesamtarbeitsverträge, die die Unternehmen verpflichten, zugunsten ihrer Mitarbeitenden eine KTGV abzuschliessen.
Der Arbeitgeber hat gegenüber krank gewordenen Mitarbeitenden eine Lohnfortzahlungspflicht. Nach Art. 324a des Bundesgesetzes über das Obligationenrecht (OR) hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden für eine beschränkte Zeit den Lohn zu zahlen, wenn diese aus Gründen, die in ihrer Person liegen, wie zum Beispiel Krankheit, ohne Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert werden. Je nach Dienstalter und anwendbarer Skala bewegt sich die Fortzahlungspflicht im Bereich von wenigen Wochen bis zu ca. einem halben Jahr.
Gerade bei schwereren Erkrankungen stellt dieser gesetzliche Mindestanspruch nicht mehr als einen Minimalschutz dar. In der Praxis sind bei grösseren Arbeitgebern auch deshalb KTGV üblich. Der Versicherungsschutz besteht üblicherweise für maximal 720 Tage Arbeitsunfähigkeit. Dies reicht für den nahtlosen Übergang von der Krankentaggeld- zur Invaliditätsversicherung aus. Bei beiden Versicherungen ist das Ziel aber natürlich die berufliche Wiederintegration. Ein aktives Case-Management des Arbeitgebers oder der Versicherung leistet hier wertvolle Unterstützung (siehe Fokus «BGM»).
Die Krankentaggeldversicherung kann sowohl als Einzel- wie auch als Kollektivversicherung abgeschlossen werden. Bei der Einzelversicherung schliesst die Versicherungsnehmerin direkt mit der Versicherung eine Lohnausfallversicherung für das Risiko Krankheit ab. Der Arbeitgeber ist meistens nicht selbst Vertragspartner. Die Einzelversicherung erfreut sich bei Selbständigerwerbenden und bei Arbeitnehmenden, die nicht über den Arbeitgeber krankentaggeldversichert sind, einer gewissen Beliebtheit. Zudem gibt es Arbeitnehmende, die für den aus der vom Arbeitgeber abgeschlossenen Versicherung nicht gedeckten Teil eine Einzelversicherung abschliessen. Die Krankentaggeldversicherung der Arbeitgeber deckt in aller Regel nur 80% des letzten Lohns.
Die Kollektivversicherung wird vom Arbeitgeber für das ganze Personal bei einer Versicherung abgeschlossen. Versicherungsnehmer ist in dieser Konstellation der Arbeitgeber. Die versicherten Personen sind alle Mitarbeitenden. Gegenüber der Versicherung werden sie nicht einzeln bezeichnet. Die Versicherung kennt dabei meistens nur die Anzahl der Mitarbeitenden sowie die gesamte Lohnsumme.
Traditionellerweise bieten die Kollektivversicherungen auch ein Recht zum Übertritt in die Einzelversicherung an, wenn die versicherte Person aus dem Kreis der Kollektivversicherten ausscheidet (zum Beispiel im Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses). Allerdings verbleiben die erkrankten versicherten Personen normalerweise bis zur Erschöpfung des Taggeldanspruchs im Kollektiv. Die früher übliche Praxis, laufende Taggeldfälle nach Beendigung des Versicherungsvertrags einseitig zu beenden, ist durch den neuen Art. 35c des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) gesetzlich unterbunden worden.
Die Krankentaggeldversicherung kann sowohl als Sozialversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) als auch als Privatversicherung nach VVG abgeschlossen werden.
Die für die obligatorische Krankenpflegeversicherung zugelassenen Versicherer (Krankenkassen) sind von Gesetzes wegen verpflichtet, eine Einzeltaggeldversicherung nach KVG anzubieten. Das Angebot einer kollektiven Krankentaggeldversicherung ist hingegen freiwillig. Auf dem Markt ist diese denn auch nicht sehr weit verbreitet. Und auch die Einzeltaggeldversicherung nach KVG ist nicht bei allen Krankenkassen attraktiv ausgestaltet. Da die Einzeltaggeldversicherung nach KVG für die Krankenkassen in der Regel nicht rentabel ist, wird die maximale Taggeldhöhe häufig sehr tief angesetzt (weniger als 10 Franken). Dieses «Schlupfloch» für die Krankenkassen ist zulässig, da das Gesetz keine Mindesttaggeldhöhe vorschreibt.
Bei der Krankentaggeldversicherung nach KVG gibt das Gesetz gewisse Leitplanken vor, an die sich die Krankenkassen bei der Ausgestaltung der Versicherung zu halten haben. So müssen die Prämien der Einzeltaggeldversicherung nach KVG – wie die Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung – durch das Bundesamt für Gesundheit genehmigt werden. Zwar dürfen – anders als bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung – Gesundheitsfragen beim Abschluss der Versicherung gestellt werden. Die Krankenkassen dürfen aber – anders als Privatversicherer – keine Antragstellenden ablehnen. Sie können höchstens Vorbehalte für Krankheiten anbringen, allerdings auch diese nur für höchstens fünf Jahre. Zudem dürfen die Krankenkassen bei Nichtbezahlung der Prämien keinen Deckungsunterbruch und auch keine Vertragsauflösung vornehmen. Auch die vertragliche Vereinbarung eines Deckungsunterbruchs oder einer Vertragsauflösung ist nicht zulässig. Das KVG räumt den versicherten Personen überdies ein zwingendes Recht zum Übertritt von der Kollektiv- in die Einzelversicherung ein.
Gewisse Gesamtarbeitsverträge sehen vor, dass die Arbeitgeber für ihre Mitarbeitenden eine KTGV nach KVG abschliessen müssen. Um in den entsprechenden Branchen ebenfalls tätig sein zu können, bieten einige Privatversicherer deshalb Krankentaggeldversicherungen an, die die vom KVG vorgesehenen Schutzvorschriften auf vertraglicher Basis garantieren. Bezeichnet werden solche Versicherungen dann häufig als «Krankentaggeldversicherung mit KVG-Deckung». Trotz der vertraglichen Nachbildung des KVG-Schutzes handelt es sich hierbei aber immer um eine Versicherung nach VVG. Damit sind beispielsweise für Rechtsstreitigkeiten die Zivilgerichte zuständig und nicht die öffentlich-rechtlichen Gerichte.
Die KTGV nach VVG ist in der Praxis viel weiter verbreitet als jene nach KVG. Ihre Beliebtheit verdankt sie der Tatsache, dass hier beide Seiten über freiere Ausgestaltungsmöglichkeiten verfügen. Das VVG macht praktisch keine Vorgaben, was die konkrete Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses betrifft. Angeboten werden auf dem Markt sowohl Einzel- wie auch Kollektivversicherungen. Unter den Anbietern finden sich praktisch alle grossen Versicherungsgesellschaften der Schweiz. Auch die Krankenzusatzversicherer (Versicherer, die Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung anbieten) bieten Taggeldversicherungen an. Allerdings sind in den letzten Jahren gewisse grosse Krankenzusatzversicherer wie Concordia oder CSS aus dem Kollektivversicherungsgeschäft ausgestiegen.
Obwohl bei der Krankentaggeldversicherung nach VVG weitgehende Vertragsfreiheit besteht, ähneln sich die garantierten Leistungen der Versicherer sehr. Die Wahl des Versicherers wird deshalb grossmehrheitlich über den Preis und allenfalls über die vom Versicherer angebotene Servicequalität entschieden.
Wer arbeitslos ist und Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht, steht im Fall einer Erkrankung nicht mit leeren Händen da. Es besteht eine Fortzahlungspflicht.
Versicherte Personen, die wegen Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft vorübergehend nicht oder nur vermindert arbeits- und vermittlungsfähig sind und deshalb die Kontrollvorschriften der Arbeitslosenversicherung (ALV) nicht erfüllen können, haben Anspruch auf das volle Taggeld, sofern sie die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Der Anspruch dauert längstens bis zum 30. Kalendertag nach Beginn der ganzen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit und ist innerhalb der Rahmenfrist auf 44 Taggelder beschränkt (Art. 28 AVIG).
Sind noch Warte- oder Einstelltage zu bestehen, wird bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit die 30- tägige Frist weder aufgeschoben noch unterbrochen. Bei einem Rahmenfristwechsel wird die 30-tägige Frist nicht unterbrochen, hingegen beginnt der Anspruch auf 44 Krankentaggelder neu zu laufen. Nicht bezogene Krankentaggelder der vorangehenden Rahmenfrist werden nicht auf die Folgerahmenfrist übertragen.
Die Frist von 30 Kalendertagen beginnt neu zu laufen, wenn die Arbeitsunfähigkeit nachweislich unterbrochen wird oder wenn eine Arbeitsunfähigkeit direkt an eine Arbeitsunfähigkeit aus einem anderen Grund anschliesst.
Die versicherte Person muss während des Taggeldbezugs nach Art. 28 AVIG nicht vermittlungsfähig sein. Solange Anspruch auf ein Taggeld besteht, besteht ein Anspruch auf den Zuschlag für Familienzulagen.
Taggelder der obligatorischen oder privaten Krankenversicherung werden voll angerechnet, sofern sie den gleichen Zeitraum betreffen.
Wenn vor Ablauf der Rahmenfrist für den Leistungsbezug kein Anspruch mehr auf Taggelder infolge krankheitsbedingter Arbeits- und Vermittlungsunfähigkeit besteht, kann der fehlende Anspruch nicht mit kontrollfreien Taggeldern kompensiert werden.
Wird die versicherte Person während der Ausübung einer Zwischenverdiensttätigkeit infolge von Krankheit oder Unfall an der Arbeitsleistung verhindert, so ist die arbeitsvertragsrechtlich geschuldete Lohnfortzahlung als Zwischenverdienst anzurechnen.
Versicherte Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, sind obligatorisch bei der Suva gegen Unfall versichert. Die Suva zahlt ab dem dritten Kalendertag nach dem Unfallereignis Taggelder in der Höhe der Nettotaggelder der Arbeitslosenversicherung. Die Arbeitslosenversicherung ist nur während der ersten drei Kalendertage (inkl. Unfalltag) zahlungspflichtig. (Kurt Häcki)
Quelle: AVIG-Praxis ALE
Der Umgang mit Taggeldern der Kranken- und Unfallversicherung bei Lohnabrechnungen führt oft zu Problemen. Das müsste nicht sein, es gäbe eine einfache Lösung.
Die Krankentaggeldversicherung (KTG-Versicherung) bietet Unternehmen und Mitarbeitenden in erster Linie finanzielle Sicherheit bei Absenzen. Aus Pflicht wird Kür, wenn darüber hinaus mit betrieblichem Gesundheitsmanagement und Case-Management gepunktet wird.
Anders als bei einem Unfall ist der Erwerbsausfall infolge einer Krankheit nicht obligatorisch mit Taggeldern abgesichert. Dennoch ist der Schutz in den Augen von Lukas Müller-Brunner vom Arbeitgeberverband ausreichend. Dringenden Nachholbedarf sieht die Gewerkschafterin Gabriela Medici.
Im Handout sind die wichtigsten Informationen rund um die Lohnfortzahlungspflicht und die Krankentaggeldversicherung zusammengefasst.
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