Das Rennen war eng. Rund 1443100 Stimmende legten ein Ja ein und 1410800 ein Nein zur AHV-Reform. Das entspricht 50.6% Ja. Die Stimmbeteiligung lag bei 51.5%. Die Linke, die die Reform mit dem Referendum bekämpft hatte, verlor knapp.
Damit hat nach 25 Jahren Stillstand wieder eine grössere AHV-Reform vor dem Parlament und dem Stimmvolk bestanden. Der letzte grosse Wurf war 1997 die 10. AHV-Revision mit der Erhöhung des Frauenrentenalters von 62 auf 64 Jahre. Und nun wird das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöht.
Ausgleich für Frauen
Mit der AHV-Reform sollen die Einnahmen der AHV deren Ausgaben weiterhin decken; einen namhaften Beitrag dazu leisten die Frauen. Sie müssen neu ein Jahr länger arbeiten und AHV-Beiträge einzahlen. Das Frauenrentenalter wird mit der Reform in Vierteljahresschritten von 64 auf 65 Jahre angehoben. Tritt die Reform 2024 in Kraft, werden 1964 geborene Frauen als erste mit 65 Jahren pensioniert. Die Frauen jener neun Jahrgänge, die nach dem Inkrafttreten der AHV-Reform als erste pensioniert werden, erhalten einen Ausgleich.
Die Vorlage bringt weiter eine flexible Pensionierung zwischen 63 und 70 Jahren. Das soll für über 65-Jährige ein Anreiz sein, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Sie sollen auch Gelegenheit haben, ihre Rente nach der Pensionierung aufzubessern. Frauen der neun Übergangsjahrgänge können die Rente ab 62 Jahren vorbeziehen.
Ja zu höherer Mehrwertsteuer
Weitaus deutlicher, nämlich mit rund 55%, sagten Volk und Stände Ja zur Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV. Der Normalsatz wird um 0.4 Prozentpunkte auf 8.1% angehoben werden. Je 0.1 Prozentpunkte sind es beim reduzierten Satz und beim Sondersatz für die Hotellerie. Diese Sätze steigen auf 2.6 respektive 3.8%.
Die Reformen der AHV und die Erhöhung der Mehrwertsteuer entlasten die AHV bis zum Jahr 2032 um rund 17.3 Mrd. Franken. Der Bund hat errechnet, dass dann noch eine Finanzierungslücke von rund 1.2 Mrd. Franken bleibt.
Weitere Reformen folgen
Dieses Loch soll eine nächste AHV-Revision stopfen – den Auftrag hat das Parlament mit einer Motion erteilt. Die verlangte Vorlage soll bis Ende 2026 vorliegen und den Zeitraum 2030 bis 2040 umfassen. Ausserdem sind zwei Volksinitiativen in der Pipeline, nämlich jene der Jungfreisinnigen für ein höheres Rentenalter für Mann und Frau und jene der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Die nächste Baustelle ist aber die Reform der 2. Säule der Altersvorsorge.
Forderungen zu 2. Säule
Dass die Renten der Frauen tiefer sind als jene der Männer, liegt gemäss einem Bericht des Bundes hauptsächlich an der 2. Säule, der beruflichen Altersvorsorge. Sozialminister Alain Berset forderte Behutsamkeit bei der Arbeit an dieser Vorlage und warf die Frage auf, ob die Reform der beruflichen Vorsorge so, wie sie zurzeit in den Räten diskutiert wird, mehrheitsfähig sein werde.
Die Vorlage des Bundesrates und der Sozialpartner verbessere die Lage der Frauen und sei eine Errungenschaft, betonte Berset. Der Nationalrat nahm an der Vorlage jedoch Abstriche vor. Im Ständerat beugt sich zurzeit die vorberatende Kommission über das Projekt, das er im Juni auf eine Zusatzrunde geschickt hatte.
Eine zügige BVG-Revision forderten am Sonntag Bürgerliche und Wirtschaft. Die SP pochte auf den Vorschlag der Sozialpartner für die BVG-Reform. Der Gewerbeverband distanzierte sich ausdrücklich «vom sogenannten Sozialpartnerkompromiss». Dieser sei nicht zu finanzieren und verletze mit Rentenzuschlägen das Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge.
Gleichstellung muss weitergehen
Die Grünen nannten den Sonntag einen bitteren Tag für die Frauen. Besonders bitter sei, dass die Männer die Frauen überstimmt hätten. Umso wichtiger sei nun die Gleichstellung in der Arbeitswelt. Es brauche eine Gleichstellungsoffensive vom Parlament. (sda)