Eingliederung ist im Interesse aller

Donnerstag, 22. Oktober 2020 - Gregor Gubser
Inclusion Handicap hat die Gutachten kritisiert, auf deren Basis die IV-Stellen entscheiden, wer eine wie hohe Rente bekommt. Die IV-Stellen allerdings sind von der Verlässlichkeit der Guthaben überzeugt.

Nachgefragt bei Florian Steinbacher, Präsident der IV-Stellen-Konferenz (IVSK) und Leiter IV-Stelle für Versicherte im Ausland.

Herr Steinbacher, ärgert Sie die Kritik?

Nein, sie ärgert mich nicht. Wir sind offen für Kritik und nehmen diese konstruktiv auf. Bedingt durch die Rolle von Inclusion Handicap ist der Bericht natürlich etwas plakativ. Die IV-Stellen geben jährlich 15 000 Gutachten in Auftrag. Wenn davon in einem halben Jahr 300 beanstandet werden, heisst das, dass die überwiegende Zahl der Gutachten gut ist. Letztlich haben wir ein gemeinsames Interesse und Ziel: hochwertige Gutachten als Grundlage für die Entscheide der IV-Stellen.

Welchen Einfluss haben die IV-Stellen auf die Gutachter?

Einen direkten Einfluss haben die IV-Stellen nicht. Die Gutachter sind unabhängig. Die IV-Stellen überprüfen die Gutachten auf formelle Anforderungen und zusammen mit den regionalärztlichen Diensten (RAD) auch qualitativ. Wenn sie kohärent sind und die formalen Bedingungen erfüllen, dann verwenden wir sie als Entscheidungsgrundlage. Einen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit haben wir nicht.

Welches Interesse haben die IV-Stellen am Ergebnis der Gutachten?

Wir haben kein persönliches Interesse an einem bestimmten Ergebnis. Die IV-Stellen haben kein eigenes Budget, die IV-Renten werden über den IV-Fonds finanziert. Wir haben aber einen gesetzlichen Auftrag: Eingliederung vor Rente. Eine erfolgreiche Eingliederung hat Vorteile für die Versicherten und für die Versicherung. Für die IV-Stelle wäre es einfacher, Renten zu sprechen. Das ist aber weder im Interesse der IV noch der Gesellschaft.

Müssen die IV-Stellen eine bestimmte Rentenquote erreichen?

Es gibt Vergleichswerte der Rentenquoten zwischen den Kantonen. Bei Abweichungen kann man sich überlegen, ob man sich bei der Eingliederung oder der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern verbessern kann. Aber es ist nicht das Ziel, dass alle IV-Stellen die gleiche Quote verzeichnen.

Verstehen Sie, wenn ein Betroffener irritiert ist, wenn ihn sein Arzt zu 0% arbeitsfähig schreibt, das Gutachten hingegen zu 100%?

Das kann ich vollkommen verstehen. Ursache sind meist unterschiedliche Perspektiven. Der Gutachter fokussiert auf die Ressourcen und das Potenzial der versicherten Person. Der Hausarzt beurteilt die aktuelle, akute Situation. Die Hausärzte müssen diesbezüglich auch ausgebildet und informiert werden. Dazu bietet IV-Pro-Medico Hilfe (www.iv-pro-medico.ch). Bei grossen Differenzen ist die IV-Stelle gefragt, das genauer anzuschauen.

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