Jonglieren mit mehreren Hüten

Donnerstag, 30. Januar 2025 - Gregor Gubser
Das Amt als Stiftungsrätin ist sowohl herausfordernd als auch bereichernd. Penso sprach mit HR-Leiterin Silja Drack über ihre Erfahrungen im Stiftungsrat der Pensionskasse Thurgau.

Silja Drack

Dr. oec. HSG Silja Drack ist Chief Human Resources Officer der thurmed AG und der Spital Thurgau AG und Mitglied der Geschäftsleitung der thurmed AG. Zudem ist sie Mitglied der Pensionskassenkommission (oberstes Organ/Stiftungsrat) der Pensionskasse Thurgau (pktg). Davor war sie in leitenden HR-Funktionen ­sowohl in Produktionsunternehmen wie auch im Handel tätig.

Silja Drack promovierte an der HSG am Institut für Führung und Personalmanagement. Kürzlich hat sie den Master of Public Health (MPH) abgeschlossen, der in Zusammenarbeit der Universitäten Bern, Basel und Zürich angeboten wird.

Die 45-Jährige ist mit ihrem sechsjährigen Sohn David in Bottighofen am Bodensee ­zu Hause und verbringt gern Zeit am See oder in den Bergen.

Frau Drack, wie sind Sie Stiftungsrätin geworden?

Im Mai 2020 – notabene während der ersten Corona-Welle – kam ich als HR-Leiterin zur thurmed und schon im August 2020 nahm ich in Begleitung meines Vorgängers die Arbeit als Stiftungsrätin auf. Offiziell gewählt wurde ich dann im Herbst 2020. Dass ich Stiftungsrätin werden würde, wurde mir schon im Rekrutierungsprozess eröffnet. Da die Spital Thurgau AG ­innerhalb der Pensionskasse Thurgau (pktg) eine sehr grosse Arbeitgeberin ist, war sie im Stiftungsrat stets durch eine ­Arbeitgebervertreterin repräsentiert. Als HR-Leiterin bin ich also ad functionam Stiftungsrätin.

Das hat Sie aber nicht davon abgehalten, die Stelle anzutreten?

Ich hätte das Stiftungsratsamt auch ablehnen können. Das Amt hat mich aber gereizt. Im HR hatte ich während 20 Jahren immer wieder Kontakt mit der Pensionskassenwelt, nun hatte ich die Chance, vertieft in die Materie einzutauchen. Es war quasi ein fixer Bestandteil meiner neuen Funktion, aber zum Glück hatte ich bereits einen gut gefüllten Rucksack. Ich hatte bereits Weiterbildungen für Verwaltungsräte und im Bereich Corporate Governance gemacht. Da ein Stiftungsrat dennoch nicht dasselbe wie ein Verwaltungsrat ist, habe ich so rasch wie möglich einen Grundkurs für Stiftungsräte absolviert. Der Modulkurs «Einführung in die berufliche Vorsorge» bietet zwar eine gute Basis, man muss danach aber laufend dranbleiben. Insgesamt war das eine sehr intensive, ja belastende Zeit: als HR-Leiterin in einer neuen Branche ankommen und parallel dazu noch für die Pensionskasse fünf Tage für die Ausbildung weg sein.

Was reizt Sie besonders an der Aufgabe im Stiftungsrat?

Die Arbeit im Stiftungsrat ist sehr spannend, weil es keine Verwaltungsratstätigkeit im privatwirtschaftlichen Kontext ist, sondern im Kontext einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, die einen kantonalen Gesetzesauftrag erfüllt. Die Verantwortung in der pktg ist gross, insbesondere weil ich unterschiedliche Hüte aufhabe: Als Stiftungsrätin, als Arbeitgebervertreterin mehrerer Unternehmen und als HR-Leiterin schlägt mein Herz natürlich auch für die Angestellten.

Es ist bestimmt herausfordernd, drei Hüte aufzuhaben.

Das Jonglieren mit mehreren Hüten macht es spannend, hat aber auch eine Schattenseite: Es ist selten möglich, allen drei Hüten zugleich gerecht zu werden. Es hat aber auch Vorteile: Bevor ich ein Votum bringe, spiegle ich es aus den verschiedenen Perspektiven. So kann ich die Argumentation der verschiedenen Seiten vorhersehen und verschiedene Szenarien in meine Überlegungen einbeziehen. Ich beziehe auch oft die Arbeitnehmendenvertreter im Unternehmen mit ein, um anstehende Projekte gemeinsam durchzudenken. Ich bin keine One-Woman-Show, sondern stimme mich mit verschiedenen Akteuren ab. Das führt zu anders reflektierten Aussagen und Voten, als wenn ich rein die Arbeitgeberperspektive einnehmen würde. Dabei denke ich auch für die Mitarbeitenden der anderen thurmed-Unternehmen mit, die bei anderen Vorsorgeeinrichtungen versichert sind. Denn ich trage auch für diese Mitarbeitenden HR-Verantwortung und muss dafür besorgt sein, dass wir die Mitarbeitenden der Gruppe übers Ganze gesehen gleichbehandeln und keine unnötigen Gefälle entstehen. Auch in diesem Zusammenhang nehme ich immer sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmersicht ein.

Was erfüllt Sie mit Freude, wenn Sie als Stiftungsrätin aktiv sind?

Als ich angefangen habe, umfasste der Stiftungsrat der pktg zwölf Mitglieder, heute sind es noch zehn. Das war eine sinnvolle Reduktion, bei der wir nicht einfach Leute nicht ersetzt, sondern uns bewusst gefragt haben, welche Strategie wir verfolgen möchten und welche Kompetenzen hierfür notwendig respektive zielführend sind. Seit ich zum Stiftungsrat gestossen bin, hat die PK schon sehr viel Momentum an strategischer Fokussierung auf die wichtigen Tätigkeiten vorangetrieben. Bei einer solchen Entwicklung dabei zu sein, macht es zu einer sehr coolen Aufgabe: verantwortungsvoll, zeitaufwendig, mit vielen Abwägungen und der Herausforderung verbunden, Schnittstellenpersonen mitzunehmen. Alles in allem eine grossartige Aufgabe in Ergänzung zu meiner regulären Tätigkeit und letztlich eine Win-win-Situation.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Stiftungsrat?

Die Arbeit in einem Milizgremium ist herausfordernd. Da wir aus unterschiedlichen Berufen kommen – wir sind Lehrpersonen, Verbandsvertretende und Personen mit betriebswirtschaftlichem und juristischem Hintergrund –, müssen wir uns immer wieder finden. Die Leute mit unterschiedlichem Background mitzunehmen und einander zu verstehen, ist für alle herausfordernd. Zum Beispiel haben nicht alle dasselbe Verständnis von Risikomanagement, weil es im jeweiligen Umfeld nicht dieselbe Relevanz hat. Die Leute in ihrem Mindset abholen und ihnen bewusst zu machen, mit welchem Hut sie im Gremium sitzen, ist wichtig. Umso mehr macht es Freude, wenn es gelingt, in angeregten Diskussionen gute Lösungen zu erarbeiten. Das Gremium hat sich nach meinem Empfinden in den letzten Jahren kontinuierlich professionalisiert. Wir haben Strategieprozesse angestossen und Kompetenzen zugewiesen. Das hat teilweise Nerven gekostet – aber auch Spass gemacht! Das macht das Milizgremium aus. Die Chance, sich selbst einzubringen und gemeinsam weiterzukommen, war einer der Gründe für die Zusage. Schliesslich lernt man auch selbst neue Perspektiven einzunehmen und sich und die eigene Rolle zu finden und zu reflektieren.

Wie laufen die Sitzungen des Stiftungsrats ab?

Die Traktanden werden durch das Präsidium der PKK sowie den CEO und den stv. CEO der pktg vorbereitet und uns in Form eines Vorprotokolls zugestellt. So können wir uns im Vorfeld auf die Traktanden vorbereiten: Wo habe ich bereits eine Meinung, wo brauche ich noch Inputs für ein gutes Votum? In der Sitzung können wir dann direkt mit den Diskussionen zu den einzelnen Themen starten. Basis vieler Entscheide ist das Kennzahlen-Cockpit, das wir kürzlich eingeführt haben, und der CEO versorgt uns mit weiteren Zahlen und Informationen. Wenn keine direkten Entscheide möglich sind oder Projekte anstehen, werden Arbeitsgruppen gebildet.

Gibt es häufig kontroverse Diskussionen?

Wir haben keine Streit-, sondern eine sehr gute Diskussionskultur. Wir haben Akteure und Vertreter, die klare Meinungen äussern. Wichtig ist immer, sich bewusst zu sein, mit welchem Hut man auftritt. Wir können frei von der Person diskutieren, es geht immer um die Sache. Man kann die Meinung der Arbeitgeberin, des Arbeitnehmers oder der Stiftungsrätin einnehmen, ohne danach ein Problem miteinander zu haben. Es bleibt nichts unbesprochen im Raum stehen. Letztlich sind wir nicht immer einer Meinung. Kommuniziert wird aber als Gremium, was als Mehrheitsentscheid entschieden wurde. Eine Pattsituation habe ich noch nie erlebt.

Sie sind als Arbeitgebervertreterin im Stiftungsrat der pktg. Müssten Sie als HR-Leiterin nicht eher die Interessen der Angestellten vertreten?

Wir HR-Verantwortlichen lernen von Anfang an mit dieser Ambivalenz umzugehen. Mir ist bewusst, dass ich im Stiftungsrat den Hut der Arbeitgebervertreterin aufhabe. Manchmal nehme ich aber bewusst die Perspektive der Arbeitnehmenden ein. Ein Beispiel: Als Arbeitgebende merken wir, dass viele, die mit 22 Jahren neu in den Sparprozess der Pensionskasse eintreten, angesichts der höheren Lohnabzüge bei Erhalt der Januarlohnabrechnung in «Schnappatmung» verfallen. Da ist es die Aufgabe der PK, die Arbeitgebenden und schliesslich die Destinatäre mit guten Kommunikationsmitteln und Informationen mitzunehmen. Wir haben soeben eine entsprechende Informationskampagne über Chat und im Intranet lanciert, die die im November 21-Jährige auf die bevorstehende Veränderung vorbereitet. Die pktg wurde moderner und kommuniziert proaktiv. Das zeigt, dass man diese drei Hüte gut verbinden kann.

Kennen Sie andere HR-Verantwortliche, die in Stiftungsräten aktiv sind?

Ich kenne zwei weitere HR-Verantwortliche in Stiftungsräten, die beide auch als Arbeitgebervertretende ad functionam im Gremium aktiv sind. Interessanterweise sprechen wir nicht darüber. Wir tauschen uns immer nur über HR-Themen aus, aber nicht über unsere Engagements in Stiftungs- oder Verwaltungsräten. Ich weiss aber nicht, ob wir diese Trennung bewusst machen.

Entschädigung von Stiftungsräten

In den Jahren 2014, 2018 und 2023 hat vps.epas jeweils eine Stiftungsratsumfrage durchgeführt. Ein Thema der Befragungen war jeweils die Entschädigung von Stiftungsräten. Im Jahr 2023 gaben zwei Drittel der teilnehmenden Stiftungsräte an, dass sie Stiftungsratssitzungen als Arbeitszeit verbuchen können und dass sie im Durchschnitt knapp sechs Stunden in die Vorbereitung einer Sitzung investieren. Zudem haben 60% der Pensionskassen eine Entschädigungsregel. Die Entschädigungen erfolgen in Form von Sitzungsgeldern (28%), einer Pauschalentschädigung (25%) oder einer Kombination aus Pauschalentschädigung und Sitzungsgeldern (42%). Im Durchschnitt erhielten die Stiftungsräte im Jahr 2022 eine Entschädigung von knapp 6300 Franken, ­wobei der Median bei 1350 Franken lag.

Pensionskasse Thurgau

Die Pensionskasse Thurgau (pktg) versichert die Angestellten der kantonalen Verwaltung, die Lehrpersonen und das Personal des Spitals Thurgau sowie ­weiterer Verwaltungen und ­gemeinnütziger Institutionen. Sie verfügt über ein Vermögen von rund 4.8 Mrd. Franken und weist circa 14500 aktive Versicherte sowie 5500 Rentenbeziehende (Stand Ende 2023) auf. Der Deckungsgrad per Ende 2023 belief sich auf 104.6%. Das oberste Organ ist die Pensionskassenkommission (PKK), die sich aus je fünf Arbeitgebendenvertretenden und ­Arbeitnehmendenvertretenden zusammensetzt. Im Text wird für den Begriff «Pensionskassenkommission» die Terminologie «Stiftungsrat» verwendet.

Werden Sie für Ihr Engagement als Stiftungsrätin entschädigt?

Ja, die pktg bezahlt uns eine kleine Basisentschädigung pro Jahr plus Sitzungsentschädigung. Das ist kein lukrativer Nebenerwerb, soll es aber auch nicht sein, sondern eine spannende Aufgabe. Wir haben bei der pktg insgesamt tiefe Verwaltungskosten und sind stolz darauf. Meine Vorbereitungen für die Stiftungsratssitzungen mache ich abends zu Hause und nicht während der Arbeit für die thurmed.

Werden Sie von Mitarbeitenden auf die Pen­sionskasse angesprochen?

Selten, aber wenn, dann mit sehr guten Fragen.

Take Aways

  • Der Stiftungsrat einer Pensionskasse ist vergleichbar mit dem Verwaltungsrat eines Unternehmens. Das Milizgremium ist paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzt.
  • HR-Leiterinnen vertreten in der Regel die Arbeitgeber, können sich dank ihrer Arbeit und dem direkten Kontakt zu den Angestellten aber auch gut in deren Lage versetzen.
  • Das Stiftungsratsamt ist mit grosser Verantwortung verbunden und erfordert daher den Willen, sich vertieft mit der Materie der beruflichen Vorsorge auseinander­zusetzen.

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