Kolumne: Das heute Mögliche endlich erlauben

Dienstag, 24. September 2024 - Andreas Dummermuth
«Ein digitaler Frühlingsputz tut not. Das ist einfach möglich, wenn man es einfach will.»

Die Durchführungsstellen der 1. Säule bewegen Milliarden von Franken für Millionen von Menschen. Im Jahr 2022 waren es rund 134 Milliarden – eines der grössten Massengeschäfte der Schweiz. Tag für Tag wird soziale Sicherheit industriell hergestellt.

Ein Beispiel für industrielle Produktion sind die kostenlosen digitalen Portale «connect» oder «AHVeasy» für Arbeitgebende und Selbständigerwerbende, welche die Ausgleichskassen gemeinsam betreiben. Hunderttausende von Firmen können seit langen Jahren gesichert rund um die Uhr mit ihrer Ausgleichskasse kommunizieren. Leider verhindern veraltete Normen im Bundesrecht, dass die Sozialversicherungsanstalten flächendeckend auch ein digitales Verfahren für die Versicherten, für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger anbieten können.

Wer Milliarden von Franken für Millionen von Menschen bearbeitet, braucht saubere Rechtsgrundlagen dafür. Aber bitte nicht veraltete wie heute: Das Verfahrensrecht stammt aus dem Jahr 2000 und hat den sperrigen Namen «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts» (ATSG, SR 830.1). Ein digitaler Frühlingsputz tut not. Das ist einfach möglich, wenn man es einfach will.

Mit zwei Motionen haben Ständerat Kuprecht und Nationalrat de Courten im Jahr 2023 gefordert, dass das Verfahren auf Wunsch der Versicherten auch digital abgewickelt werden kann: eATSG. Der Bundesrat aber lehnte beide Motionen ab! Er gab als Reaktion auf die Motionen Ende 2023 ein neues Gesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen (BISS) in Vernehmlassung. Gemäss Bundesrat sollen Bundesbeamte aus dem AHV-Fonds AKTUELLfinanzierte IT-Projekte realisieren können, ohne dass diese mit den Durchführungsstellen abgesprochen sind. Der AHV-Fonds würde zum Selbstbedienungsladen der Bundesverwaltung verkommen. Nicht erstaunlich, dass die Vorlage in der Vernehmlassung Schiffbruch erlitt. Gewichtige Wirtschaftsverbände, fast alle Kantone und bedeutende Fachorganisationen erachten BISS als einen Holzweg.

Die beiden Parlamentskammern haben anders als der Bundesrat entschieden. Ständerat und Nationalrat wollen im Grundsatz eine ATSG-Revision hin zu einem eATSG. Denn die Sozialversicherungspartner in den Zweigen Unfallversicherung, Krankenversicherung, Invalidenversicherung und AHV haben heute schon die technischen Mittel und Erfahrungen. Was es braucht, sind keine technischen Vorschriften des Bundes, sondern einzig die bundesgesetzliche Grundlage, damit sichere Kommunikation in der Sozialversicherung eben auch digital erfolgen kann.

Die «res publica digitalis» ist ein richtiger Weg für die Schweiz: Wer will, soll mit möglichst allen Behörden und Anbietern von staatlichen Leistungen digital verkehren können. Genau dies soll auch in der Sozialversicherung erlaubt sein. Möglich wäre es schon lange.

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