Kolumne: Verschont uns mit Kapriolen im Wahljahr!

Dienstag, 18. Juli 2023 - Beatrix Bock
Die Sozialversicherungen sollen uns - solidarisch finanziert - vor den finanziellen Folgen grosser Risiken bewahren. Die Regulierung bietet Stoff für politische Diskussionen. Beatrix Bock, Präsidentin des SVS Nord-Ostschweiz, mahnt zu Zurückhaltung bei Versprechen auf Wählerfang.

Auch in diesem Wahljahr wird kräftig Wirbel rund um die ­Sozialversicherungen gemacht. Damit lassen sich prima ­Wählende motivieren. Mit einer emotional aufgeladenen Kommunikation gibt es am meisten Aufmerksamkeit. Das schadet aber der sachlichen Diskussion zu den so wichtigen Sozialversicherungen.

Unsere Sozialversicherungen sind der wichtigste Pfeiler zur ­sozialen Absicherung, die uns vor den Folgen der grossen ­Lebensrisiken schützen. Es braucht Weitsicht, für die gesamte Bevölkerung die nötige Absicherung bereitzustellen. Die ­Sozialversicherungen können nicht für jede auftauchende Schwierigkeit beigezogen werden. Schliesslich gibt es die Eigenverantwortung, die aber gerne nur bei den anderen zählt.

Im Wahljahr bekommen wir viel zu viel Post von den Parteien, die ihre Wählergruppen mit den passenden Argumenten ansprechen. Wir können also eine ellenlange Liste mit sagen­haften Argumenten erstellen, wobei die negativen Aspekte spätestens beim Gut zum Druck verschwunden sind. Die Wunschliste reicht glatt für mehrere Jahre. Bloss … wer soll die vielen Wünsche finanzieren? Das ist einfach: die anderen, die Reichen, der Staat. Nur nicht die Finanzierung durch die eigenen Wählenden in Aussicht stellen.

Wir haben ein gewaltiges Finanzierungsproblem. Die Sozialversicherungen haben eine prächtige Lösung dafür. Die vielen Solidaritäten bieten eine reichliche Auswahl an, wer dafür in Frage kommt. Vertikal, horizontal, regional oder was gibt es denn noch? Wenn die Solidaritäten nicht weiterhelfen, gibt es das unerschöpfliche Steuersubstrat, das sich durch viele Quellen nährt. Damit lassen sich riesige Summen generieren, die neu verteilt werden können. Die ausgegebenen Milliarden in den letzten Jahren haben bewiesen, dass bei gutem Willen ­vieles möglich ist. Sparen kann man später und der nächsten Generation als Erbe mitgeben.

Die für die Sozialversicherungen unglückliche demografische Entwicklung trifft nicht nur die Zunahme der Rentenbeziehenden, sondern auch die wachsende medizinische Versorgung der Best Ager. Schon wunderbar, wie viele Wünsche sich mit der Generation 50plus entwickeln lassen. Beim beliebten Kontakt mit der Bevölkerung können die signifikantesten Wünsche ermittelt und gleich auf das Positionspapier geschrieben werden. Statt die Kürzung der Ehepaar-AHV lieber die volle Einzelrente mit einem jährlichen Plus, statt Lohnabzüge besser eine Reichensteuer, die Wirtschaft kann ruhig noch mehr beisteuern, für Kinder braucht es eine externe Rundumversorgung und so weiter. Alles berechtigte Wünsche. Künftig werden Solidaritäten helfen, wenn der freiwillige Verzicht auf Arbeit im Alter zu Lücken führt. Wer will das schon hören? Die solide Absicherung ist viel zu verlockend.

Ja, die Ausgestaltung der Sozialversicherungen ist politisch. Allerdings wird am Schluss nur ein tragfähiger Kompromiss umgesetzt. Da braucht es viele sachliche Argumente und keine Kapriolen durch eine vollmundige Wahlpropaganda. ­Einfache Schlagworte mit einer Portion Eifer reichen auch in diesem Jahr nicht, um die Sozialversicherungen langfristig zu sichern. Es gibt nun mal keinen Goldregen – per Solidaritätsprinzip wird immerhin ein Goldesel ernannt. Freuen wir uns auf die reichlichen Ergüsse dazu.

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