Vom Gender Pension Gap, der keiner ist
Frauen haben durchschnittlich tiefere Renten aus der berufliche Vorsorge als Männer. Fragt sich, ob tatsächlich das Geschlecht für diesen Unterschied verantwortlich ist.
Heutige Rentnerinnen erhalten rund 30% weniger Rente als Männer. «Diese Zahl stellt allerdings ein Echo aus der Vergangenheit dar, da sie auf vergangenen Erwerbsbiografien und Lebensentwürfen beruht», sagt Studienleiter Andreas Christen. Die neuen Studie werfe aber einen Blick in die Zukunft und beleuchte, was die heutige Bevölkerung im Erwerbsalter dereinst von der Vorsorge zu erwarten habe.
Zentral für den Gender Pension Gap sind die unterschiedlich hohen Lebenserwerbseinkommen von Frauen und Männern, was primär eine Folge der Pensumsreduktion von Müttern sei. Zwar sei die durchschnittliche Geschlechterdifferenz beim Erwerbspensum zwischen 1996 und 2022 von etwa 40 auf 24 Prozentpunkte gesunken und sie dürfte sich weiter verkleinern, verschwinden werde sie jedoch auf absehbare Zeit nicht.
Die Umfrage zeige, dass kinderlose junge Frauen, die einen Kinderwunsch äussern, häufiger eine Reduktion des eigenen Erwerbspensums erwarten als ihre männlichen Pendants. Tiefere Erwerbseinkommen führten besonders in der beruflichen Vorsorge zu tieferen Renten, schränkten aber auch Sparmöglichkeiten in der 3. Säule ein. Frauen zahlen – vor allem einkommensbedingt – seltener in die Säule 3a ein als Männer (56% vs. 65%). Und sie investieren, auch unabhängig vom Einkommen, seltener in Anlagen wie Aktien, Obligationen oder Fonds (22% vs. 38%).
Die Swiss Life-Studie beleuchtet auch verschiedene Gründe für die Geschlechterunterschiede bei der Arbeitsmarktbeteiligung. Einerseits zeigten sich klare Rollenbilder: Die Befragten finden durchschnittlich, dass für Mütter von kleinen Kindern ein Pensum von 50% ideal sei, bei Vätern eines von 80%. Andererseits seien die Geschlechterdifferenzen beim Erwerbspensum gemäss den Idealvorstellungen der Bevölkerung geringer als die tatsächlich beobachteten. Wenn sie frei wählen könnten, würden Väter in einem tieferen Durchschnittspensum arbeiten (74%), als sie es effektiv tun (93%), Mütter hingegen leicht mehr (58% statt effektiv 54%). Dies deute darauf hin, dass nicht nur Präferenzen oder Rollenbilder für die Beteiligung am Arbeitsmarkt verantwortlich sind, sondern auch Sachzwänge.
«Solange bei Arbeitsmarktbeteiligung und Erwerbseinkommen grössere Geschlechterdifferenzen bestehen, werden wir um Jahre verzögert auch bei den Renten im Alter Unterschiede beobachten», hält Co-Autorin Nadia Myohl fest. Allerdings habe sich nur eine Minderheit der befragten Frauen (37%) und Männer (41%) gemäss eigenen Angaben vertieft damit auseinandergesetzt, welche Folgen das Erwerbspensum für ihre Altersvorsorge hat.
Wesentlich für den Gender Pension Gap sei auch die Haushaltssituation. So ist die Rentendifferenz zwischen den Geschlechtern unter heutigen verheirateten Pensionierten am grössten – hat dort aber in der Regel geringere unmittelbare finanzielle Auswirkungen als in anderen Konstellationen. Dies dürfte auch für die Zukunft gelten, da mit 66% eine Mehrheit der befragten verheirateten Paare unter 64 ihre Einkommen weitgehend zusammenlegt. Dabei sei zu bedenken, dass jede Ehe durch Scheidung oder Tod enden wird. Die Befragten unterschätzten jedoch das Risiko, dass die eigene Ehe geschieden werden könnte: Sie bewerten es durchschnittlich ähnlich hoch wie das eigene Verwitwungsrisiko vor der Pensionierung. Tatsächlich werden im Erwerbsalter aber etwa 4.5-mal so viele Frauen geschieden, als dass sie verwitwen. Es beschäftigen sich ausserdem nur 26% der verheirateten Männer und 19% der Frauen eingehend damit, wie sich eine Scheidung auf ihre Altersvorsorge auswirken würde, obwohl eine Scheidung oft für beide Ex-Eheleute negative finanzielle Folgen hätte. Frauen sind im Mittel stärker betroffen: Bei den heutigen geschiedenen Pensionierten beträgt der Gender Pension Gap etwa 15%.
Immer mehr Elternpaare bleiben zumindest anfänglich unverheiratet. 2022 waren etwa 20% der Paare mit Kindern unter fünf Jahren unverheiratet – 2010 waren es erst etwas über 10%. Unverheiratete Mütter mit Partner und Kindern unter 15 Jahren arbeiten durchschnittlich in einem 58%-Pensum und sind damit etwas stärker auf dem Arbeitsmarkt präsent als verheiratete (45%) – aber klar schwächer als Väter (rund 90%). Die starke Zunahme dieser Konstellationen führe zu neuen vorsorgetechnischen Herausforderungen, da teilzeitarbeitende Mütter in Konkubinatshaushalten im Trennungs- oder im Todesfall des Partners schlechter abgesichert sind als verheiratete. Theoretisch liessen sich solche Lücken im Rahmen der privaten Vorsorge und vertraglicher Vereinbarungen verkleinern. Ob dies allerdings hinreichend geschieht, sei zumindest fraglich.
Laden Sie hier die vollständige Studie «Verliebt, verlobt, versorgt? – Wie sich Erwerbsbiografien und Haushaltsformen auf den Gender Pension Gap auswirken» als PDF herunter.
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