Schweizer Witwerrente kommt vor die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Dienstag, 09. März 2021
Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wird sich mit dem Fall eines Schweizer Witwers befassen, der seit Erreichen der Volljährigkeit seiner jüngsten Tochter keinen Anspruch mehr auf eine Witwerrente hat. Das Gesuch um Behandlung stellte die Schweizer Regierung.

Erstinstanzlich stellte der EGMR im Oktober vergangenen Jahres fest, dass die Schweiz mit ihrem Gesetz zur Witwenrente gegen das Diskriminierungsverbot von Artikel 14 der EMRK in Verbindung mit Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verstosse. Der an den EGMR gelangte Witwer kümmerte sich nach dem Tod seiner Ehefrau 16 Jahre lang um seine Kinder, bis ihm ab Dezember 2010 - damals war er 57 Jahre alt - keine Witwerrente mehr ausbezahlt wurde.

Das AHV-Gesetz sieht die Aufhebung der Rente bei Witwern bei der Volljährigkeit des jüngsten Kindes explizit vor. Bei Frauen besteht auch nach Erreichen der Volljährigkeit der Kinder ein Anspruch auf Witwenrente.

Der beschränkte Witwerrenten-Anspruch in der Schweiz basiert auf der Überlegung, dass der Ehemann für den Lebensunterhalt der Frau aufkommt. War diese über Jahre für die Versorgung der Kinder zuständig, wurde ihr nicht zugemutet, wieder Tritt in der Erwerbswelt finden zu müssen. Diese Grundüberlegung entspricht gemäss der ersten Instanz des EGMR nicht mehr den heutigen Gegebenheiten. Die Konvention sei ein «lebendiges Instrument», mit dem die Umstände unter dem aktuellen Blickwinkel behandelt werden müssten, hielt sie in seinem Urteil fest.

Es gebe keine haltbaren Gründe, weshalb es einem 57-jährigen Mann, der über lange Zeit nicht mehr erwerbstätig war, leichter fallen sollte eine Stelle zu finden, als einer Frau. (sda)

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