Erwerbsstatus
Ob angestellt, selbständig oder nicht erwerbstätig: Der Status wirkt sich auf Sozialversicherungsbeiträge sowie -leistungen aus. Nicht immer besteht Einigkeit.
Ob jemand als Arbeitnehmer, als Selbständigerwerbender oder als Nichterwerbstätiger der AHV unterstellt ist, hat in verschiedenen Bereichen Konsequenzen. So unterscheiden sich je nachdem der Zeitpunkt, ab wann Beiträge zu leisten sind, die Grundlage für die Beitragspflicht wie auch die Höhe der Beiträge. Im Folgenden soll ein Überblick darüber erstellt werden. In allen Bereichen sind (zusätzlich) wieder Ausnahmen von der Regel möglich, deren vollumfängliche Darstellung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Als erwerbstätig gelten sowohl Arbeitnehmende (AN) wie auch Selbständigerwerbende (SE). Die Frage, ob jemand der einen oder der anderen Kategorie zugeteilt wird, kann zu Diskussionen mit der Ausgleichskasse führen. Wer eine selbständige Tätigkeit ausüben möchte, tut gut daran, vorerst zu klären, ob die Selbständigkeit von der Ausgleichskasse auch anerkannt wird. Nicht alle Personen, die im allgemeinen Sprachgebrauch als selbständig angesehen werden, sind es tatsächlich. Ohne dass eine formelle Anerkennung der Selbständigkeit von der Ausgleichskasse vorliegt, können böse Überraschungen folgen, sei dies bei der Frage, wer die Beiträge bezahlen muss, wie aber auch beim Versicherungsschutz in verschiedenen Versicherungszweigen. So ist z.B. ein Selbständigerwerbender in der Arbeitslosenversicherung nicht eingeschlossen.
Die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit wird immer im Einzelfall aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten geprüft. Nicht massgebend ist, was allenfalls unter zwei Parteien vereinbart wird. Insgesamt wird beurteilt, ob die Merkmale einer Selbständigkeit oder eines Arbeitsverhältnisses überwiegen. Die Merkmale mit entsprechenden Beispielen sind:
Ein häufiges Beispiel, das sich in der Praxis der Ausgleichskasse ergibt, sei hier erwähnt: Martin arbeitet bei der Grafix AG. Diese möchte die Anzahl ihrer Vollzeitstellen aus unternehmerischen Gründen reduzieren und vereinbart mit Martin, dass er in Zukunft nur noch als «Freelancer» für die Grafix AG tätig sein wird und somit kein Arbeitnehmer mehr ist. Die Grafix AG ist und bleibt jedoch die einzige Kundin von Martin. Die Ausgleichskasse wird dies nicht als Selbständigkeit anerkennen.
Wer arbeitet, entrichtet Beiträge vom 1. Januar des Kalenderjahrs an, das der Vollendung des 17. Altersjahr folgt. In ein Beispiel übersetzt würde das wie folgt aussehen: Jonas ist im Jahr 2006 geboren. Seine Beitragspflicht beginnt am 1. Januar 2024. Mitarbeitende Familienglieder ohne Barlohn bezahlen erst ab dem Kalenderjahr, das der Vollendung des 20. Altersjahrs folgt, Beiträge. Als mitarbeitende Familienglieder gelten unter anderem Ehefrau/Ehemann, Verwandte in auf- und absteigender Linie, z.B. Söhne und Töchter.
Die Beitragspflicht endet mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit. Personen, die nach Erreichen des Referenzalters 65 weiterarbeiten, müssen also weiterhin Beiträge bezahlen. Seit der Reform AHV 21 können sie durch diese Weiterarbeit in gewissen Situationen ihre (späteren) Rentenleistungen aufbessern. Ausserdem haben sie die Möglichkeit, einen Freibetrag geltend zu machen, auf den sie keine AHV bezahlen müssen. Dieser liegt aktuell bei 1400 Franken im Monat resp. 16800 Franken im Jahr.
Die Beitragspflicht der Arbeitnehmenden ist paritätisch ausgestaltet. Das bedeutet, dass nicht nur der Arbeitnehmende, sondern auch der Arbeitgeber Beiträge zu leisten hat, je hälftig. Die Ausgleichskassen ziehen nicht nur die Beiträge der AHV ein, sondern damit verbunden auch die Beiträge an die Invalidenversicherung (IV) und für den Erwerbsersatz (EO). Der gesamte Beitragssatz beträgt 10.6% (je 5.3%). Dazu kommen die Beiträge an die Arbeitslosenversicherung (2.2%), die ebenfalls von den Ausgleichskassen erhoben werden sowie die Verwaltungskostenvergütung. Als Erwerbseinkommen gelten Tages- und Monatslöhne und u.a. auch ein Barlohn, Naturallohn, Zulagen wie Familienzulagen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen. Nicht zum Lohn gehören Spesen (Unkosten).
Als Einkommen und damit beitragspflichtig gelten alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, Einkünfte aus einem freien Beruf (z.B. Arzt) sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit. Das Einkommen wird ermittelt, indem vom erzielten rohen Einkommen zuerst Gewinnungskosten, Abschreibungen und Rückstellungen, verbuchte Geschäftsverluste usw. abgezogen werden. Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte Kapital werden von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet. Der Beitragssatz beträgt ab einem Einkommen von 58800 Franken (Stand im Jahr 2024) 10% für AHV/IV/EO zusammen. Ist das Einkommen kleiner als 58800 Franken, beträgt aber mindestens 9800 Franken, so kommt die sinkende Beitragsskala zur Anwendung. Die Beiträge betragen hier zwischen 5.371 und 9.321%. Unter 9800 Franken Einkommen muss der Mindestbeitrag von 514 Franken bezahlt werden.
Da es sich um eine Volksversicherung handelt, gehören auch Personen, die nicht arbeiten, aber in der Schweiz wohnen, zum Kreis der Versicherten. Dies sind z.B. Studierende, Privatiers, aber auch Personen, die nicht dauernd voll erwerbstätig sind. Bei diesem letztgenannten Personenkreis ist jeweils eine Vergleichsrechnung zu machen. So wird ermittelt, ob sie als erwerbstätig oder als nichterwerbstätig gelten. Die Frage stellt sich bei Personen, die weniger als neun Monate pro Jahr erwerbstätig sind, und bei Personen, die nicht mindestens 50% arbeitstätig sind während eines Jahres. Hier wird verglichen, ob die Beiträge aus einer Erwerbstätigkeit mindestens die Hälfte der Beiträge als Nichterwerbstätiger – in jedem Fall den Mindestbeitrag – erreichen. Wenn nein, gilt eine Person als nicht erwerbstätig.
Nichterwerbstätige zahlen Beiträge vom 1. Januar des Kalenderjahrs an, das der Vollendung des 20. Altersjahrs folgt. Die Beitragspflicht beginnt also drei Jahre später als bei Erwerbstätigen. Eine Ausnahme von der Beitragspflicht besteht bei Ehepartnern von erwerbstätigen Versicherten. Hier muss der nicht erwerbstätige Partner keine Beiträge bezahlen, sofern der doppelte Mindestbeitrag vom Erwerbstätigen bezahlt wird. Beispiel: Max und Alice sind verheiratet. Alice ist erwerbstätig als Grafikerin und da sie mehr als den doppelten Mindestbeitrag bezahlt, muss Max keine eigenen Beiträge einzahlen.
Nichterwerbstätige bezahlen je nach ihren sozialen Verhältnissen einen AHV-Beitrag von mindestens 514 Franken bis maximal 25700 Franken. Die Beiträge sind also – im Gegensatz zu den Beiträgen von Erwerbstätigen – gegen oben plafoniert. Die Basis bildet das Vermögen und allfälliges Renteneinkommen, und zwar das gesamte in- und ausländische Vermögen. Studierende bis 25 Jahre und Versicherte, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt (z.B. Sozialhilfebezüger) oder von Drittpersonen unterhalten werden, bezahlen den Mindestbeitrag. Dies gilt ebenso für Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen.
Lesen Sie dazu auch den Artikel von Rechtsanwalt Oliver Bermejo, der zeigt, welche gravierenden finanziellen Folgen auf ein Unternehmen zukommen können, wenn ein Auftragnehmer zu einem Arbeitnehmer umqualifiziert wird.
Grundsätzlich müssen AHV-Beiträge für jede Erwerbstätigkeit, die man ausübt, bezahlt werden. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen: Beträgt der Lohn bei einem Arbeitgeber pro Jahr weniger als 2300 Franken, müssen darauf keine Beiträge entrichtet werden. Der Arbeitnehmende kann jedoch verlangen, dass auch auf einem solchen Lohn Beiträge bezahlt werden. Dies müssen Arbeitnehmende spätestens bei der ersten Lohnabrechnung anzeigen. Von dieser Regelung der geringfügigen Löhne ausgenommen sind jedoch der Kulturbereich (z.B. Orchester, Radio und Fernsehen) sowie Privathaushalte (Hausdienstarbeitgeber). Hier muss auch auf geringfügigen Einkommen unter 2300 Franken der Beitrag an die AHV entrichtet werden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass solche Arbeitnehmenden besonders häufig keine Möglichkeit haben, eine genügende Vorsorge aufzubauen, und daher die Beitragspflicht zwecks besseren Versicherungsschutzes ausgeweitet wurde. Einzige Ausnahme von der Ausnahme sind Studenten unter 25 Jahren, die einen sogenannten Sackgeldjob ausüben, d.h. Löhne bis 750 Franken pro Haushalt und Jahr.
Ob, ab wann und in welchem Umfang AHV-Beiträge bezahlt werden müssen, ist in der Regel «klar», führt aber im Einzelfall und besonders bei speziellen Verhältnissen zu vielen Fragen. Es lohnt sich daher, bei Fragen zum eigenen Status die Ausgleichskasse zu kontaktieren. Dies insbesondere auch, weil die AHV von Gesetzes wegen ein sehr strenges Inkasso kennt. Nicht richtig einbezahlte Beiträge können zu Verzugszinsen und Versicherungslücken führen und sollten vermieden werden.
Ob angestellt, selbständig oder nicht erwerbstätig: Der Status wirkt sich auf Sozialversicherungsbeiträge sowie -leistungen aus. Nicht immer besteht Einigkeit.
Es gibt zahlreiche Firmen, in der (Allein-)Aktionäre oder Gesellschafter mitarbeiten und ein entsprechendes Erwerbseinkommen erzielen. Gelten nun diese genannten Personen formell als Arbeitnehmende oder doch als Selbständigerwerbende? Diese Fragen zielen auf die Beitragserhebung, die Versicherungspflicht und die Leistungsansprüche solcher Personen ab.
Die Einordnung einer Erwerbstätigkeit als selbständig oder unselbständig ist nicht trivial und wird auch durch den gesellschaftlichen Wandel nicht einfacher. Doch auch Vorstösse, die einen weiteren Status fordern, versprechen keine einfache Lösung.
Jürg Grossen forderte 2018 mit einer parlamentarischen Initiative, dass der Parteiwille bezüglich der Klassifizierung als selbständigerwerbend stärker berücksichtigt werden soll. Im Juni 2024 hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung geschickt. Penso hat beim Initianten nachgefragt.
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