Die Auslegung eines einzelnen Wortes kann entscheidend sein: Per Gesetz ist für einen Wechsel der Vorsorgeeinrichtung (VE) das «Einverständnis» des Personals nötig.[1] Ohne dieses Einverständnis ist die Kündigung bei der bisherigen VE ungültig. In der Praxis wurde bisher oft ein stillschweigendes Einverständnis als genügend erachtet: Wenn sich seitens Personal niemand gegen den vorgesehenen Wechsel gewehrt hat, so
konnte er vollzogen werden.
Das Bundesgericht stellte nun fest, dass dem nicht so ist.[2] Das Wort «Einverständnis» erfordere eine aktive Rolle des gesamten Personals oder einer nach dem Mitwirkungsgesetz bestimmten Arbeitnehmervertretung. Eine informelle Mitarbeiterkommission oder auch die Arbeitnehmervertreter in der Vorsorgekommission oder einem allenfalls (noch) vorhandenen Stiftungsrat genügen dieser Anforderung nicht.
Das Personal muss ein «echtes» Mitspracherecht haben. Es hat den Entscheid mitzugestalten, sprich: Es muss sowohl in die Kündigung der bisherigen VE wie auch in die Wahl der neuen Vorsorgelösung eingebunden sein. Eine Ausnahme bilden dabei lediglich rein überobligatorische (Kader)Lösungen, für die diese Auslegung nicht zur Anwendung kommt. Grundsätzlich kein Mitspracherecht haben die Rentner, sie müssen lediglich informiert werden.
Was heisst dies nun konkret?
Der Arbeitgeber ist verantwortlich dafür, den Prozess korrekt abzuwickeln – nicht eine der beiden beteiligten Vorsorgeeinrichtungen, nicht ein allfällig einbezogener Broker. Die Arbeitnehmer müssen bereits vor der Kündigung des bestehenden Anschlusses einbezogen werden und dieser Kündigung auch zustimmen. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Personalversammlung geschehen, auf der der Arbeitgeber die Überlegungen für einen Wechsel darlegt.
Die Wahl der neuen Vorsorgelösung sollte separat aufgegleist werden. Das Bundesgericht betont, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den ganzen Prozess, also auch für die Wahl der neuen Vorsorgelösung, «auf Augenhöhe» verhandeln und gemeinsam entscheiden sollen. Bei der Wahl einer neuen Vorsorgelösung sind also die Anliegen der Arbeitnehmer bereits in den Ausschreibungskriterien zu berücksichtigen. Liegt eine Auswahl möglicher Anschlusslösungen vor, ist erneut der Einbezug der Arbeitnehmer angezeigt (sei es die gesamte Belegschaft oder eine gemäss dem Mitwirkungsrecht bestimmte Vertretung), um eine definitive Wahl zu treffen.
Wer kontrolliert es?
Das Bundesgericht hält fest, dass diejenige VE, die den Anschluss abgibt, prüfen muss, ob die Kündigung korrekt erfolgt ist. Der Pensionskassenverband ASIP hält in seiner Fachmitteilung (siehe Kasten) dafür, dass die abgebende Sammeleinrichtung ein je von einem Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter unterschriebenes Formular einzufordern hat, das den Entscheidungsprozess dokumentiert, der zur Kündigung des Anschlussvertrags geführt hat, und die entsprechende Zustimmung der Mitarbeitenden bestätigt.
Das Bundesgericht unterstreicht in seinem Urteil, dass sich die Sozialpartnerschaft nicht in der paritätischen Besetzung von Stiftungsräten und Vorsorgekommissionen erschöpft. Jeder Wechsel, jede Wahl einer Vorsorgelösung muss von Arbeitgeber und Arbeitnehmern gemeinsam getroffen werden. Wenn das Urteil dazu führt, dass sich Arbeitnehmer generell intensiver mit ihrer Vorsorgelösung beschäftigen, so ist dies als positiver Nebeneffekt nur zu begrüssen.
[1] BVG Art. 11 Abs 3bis.
[2] Urteil vom 5. Mai 2020 (9C_409/2019).
Ausführlichere Informationen zu diesem Thema stellt der Pensionskassenverband ASIP in einer (kostenpflichtigen) Fachmitteilung zur Verfügung.
Das gewerkschaftsnahe pk-netz hat ein Merkblatt für die Umsetzung erarbeitet.