Wechsel der Vorsorgelösung eines KMU: Hochzeit mit Hindernissen

Donnerstag, 19. Januar 2023 - Jürgen Mischkulnig
Hohe Erwartungen an eine neue Vorsorgelösung können nicht immer eingelöst werden: Nur für KMU mit gutem Risikoprofil gibt es eine breite Palette an Angeboten. Ein Leitfaden auf dem Weg zum Anschluss an eine neue Vorsorgeeinrichtung.

Die Wunschliste eines KMU für eine neue Vorsorgelösung ist lang. Unter anderem umfasst sie eine gute Verzinsung der Sparkapitalien, einen hohen Umwandlungssatz, eine hohe Kapitalsicherheit der Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung (SGE) und keine oder geringe Sanierungsrisiken. Dazu ist eine effiziente, zeitgemässe Abwicklung des Tagesgeschäfts, unterstützt durch digitale Plattformen, und eine persönliche, sozialkompetente Kundenbetreuung erwünscht.

Die Realität des Erreichbaren ist jedoch durch das Risikoprofil des Unternehmens sowie die Risikofähigkeit der bestehenden oder zukünftigen Sammelstiftung gegeben. Die jeweiligen Kriterien weisen dabei durchaus Zusammenhänge auf.

Risikofähigkeit der Sammelstiftung

Guter Cashflow

Verhältnis Erträge (wie Beiträge, Mieterträge etc.) zu den Rentenleistungen mindestens 5:1.

Angemessener Umwandlungssatz (UWS)

Der UWS sollte Pensionierungsverluste der zukünftigen Rentner möglichst vermeiden und das Verzinsungspotenzial für die Aktiven nicht schmälern – also keine Querfinanzierung zwischen Aktiven und Rentnern.

Ausfinanzierung bestehender Rentner

Eine solide Ausfinanzierung bestehender Rentner, die (möglichst) keine zukünftigen Pensionierungsverluste verursachen.

Genügend Rückstellungen

Genügend Rückstellungen z.B. für Langlebigkeit, geäufnete Wertschwankungsreserven für die Anlagerisiken.

Risikoprofil des Unternehmens beeinflusst Auswahl

Attraktives Durchschnittsalter

Die genauen Anforderungen variieren. In der Regel sollten die Versicherten im Schnitt nicht älter als 41 bis 45 Jahre sein.

Stark umhüllende Pläne

Das KMU sollte möglichst Pläne wünschen, die deutlich über das BVG-Obligatorium hinausgehen (Anteil des überobligatorischen Kapitals mindestens 30 bis 40% des Gesamtvermögens).

Guter Schadenverlauf

Bestehender Schadenverlauf des Unternehmens unter dem erwarteten Schadenverlauf der Sammelstiftung.

Alters- und Invalidenrentner

Übernahme allfälliger Rentner und Versicherungsfälle (Tod und Invalidität) ohne Verluste für die Pensionskasse und ohne Kostenfolge für das Unternehmen.

Die Fragen der Übernahme und die damit verbundene Ausfinanzierung der Rentnerbestände können durch Rahmenvereinbarungen geregelt sein, die für Mitglieder des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) und diejenigen (teil-)autonomen SGE gelten, die sich ihnen angeschlossen haben. Die Rahmenvereinbarung wurde durch die Aufsichtsbehörde (FINMA) genehmigt, um die Anwendung des sogenannten Drehtürprinzips zu ermöglichen (Rentnerübertrag ohne Kostenfolge). Ist eine SGE nicht an diese Rahmenvereinbarung angeschlossen, können für die Ausfinanzierung der zu übertragenden Rentnerbestände je nach Ausgangslage bedeutende Kosten anfallen.

Ein vorteilhaftes Risikoprofil, wie oben definiert, eröffnet dem suchenden KMU eine breite Auswahl im Markt der beruflichen Vorsorge. Demgegenüber ist die Auswahl bei einem unvorteilhafteren Profil eingeschränkt.

Welches Modell passt?

Nun stellt sich die Frage, welche Vorsorgelösung am besten passt für das KMU. Hier ist die Frage entscheidend, ob über die Anlagestrategie eine hohe Rendite angestrebt werden soll – und ob man auch in der Lage ist, die damit einhergehenden Anlagerisiken selber zu tragen (siehe Grafik).

Kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden und Startups bevorzugen mehrheitlich die Sicherheit einer Vollversicherung bei vergleichsweise tiefer Kapitalperformance und vielfach bedeutend höheren Kosten.

(Teil-)Autonome SGE sind eine gute Alternative für die restlichen KMU, um eine attraktivere Rendite bei angemessenen Risiken zu erzielen (1% Mehrrendite über die gesamte Laufzeit ermöglicht eine um 19% höhere Altersrente). Dabei werden Risiken wie etwa eine auftretende Unterdeckung durch die angeschlossenen Unternehmen und Versicherten gemeinsam
getragen.

Andere Lösungen mit noch höherem Renditenpotenzial wie die Sparkassen-/Risikolösung sind für kleinere und mittelgrosse Unternehmen infolge höherer Risikoexposition eher weniger geeignet, aber nicht ausgeschlossen.

Welcher Weg führt zum Ziel?

Die Art und Weise, wie ein KMU zur richtigen Vorsorgelösung kommt, ist im Kasten dargestellt: In den Phasen 1 bis 4 werden Kundenbedarf und Risikoprofil ermittelt (Ist-Zustand). Diese Analyse zeigt, ob es Optimierungspotenzial gibt und entsprechend ein Anschlusswechsel angezeigt ist.

In diesem Fall müssen die Mitarbeitenden von Anfang an einbezogen werden, wie das Bundesgericht im Jahr 2020 unterstrich.[1] KMU haben in der Regel keine gewählte  Mitarbeitervertretung nach Mitwirkungsgesetz. Zu beachten ist in diesem Fall die Notwendigkeit der schriftlichen, frühzeitigen Mitarbeiterinformation (siehe dazu Artikel Gubser).

In den Phasen 5 bis 9 erfolgen die Vorselektion der potenziellen Vorsorgeeinrichtungen, das Einholen der Offerten, die Nachverhandlungen, die finale Wahl des Anbieters, die Personalorientierung und die Genehmigung des Wechsels im Rahmen einer Mitarbeiterabstimmung. Die abgebende Vorsorgeeinrichtung überprüft, ob das Gesetz eingehalten wurde. Nach erfolgter Prüfung kann die Umsetzung des Wechsels implementiert werden. Die tabellarische Checkliste gibt einen Überblick über die einzelnen Schritte.

Wer hilft dem KMU bei der Auswahl?

Der Prozess, einen neuen SGE-Anschluss zu ermitteln, ist komplex und die wenigsten KMU verfügen über die dafür notwendigen Ressourcen und das entsprechende Know-how. Es ist daher ratsam, Unterstützung bei einem Versicherungsbroker zu suchen, der eine Beratung zu sämtlichen Vorsorgemodellen von Sammel- und  Gemeinschaftseinrichtungen bieten kann. Der Broker sollte eine Vielzahl von Referenzen im Bereich der beruflichen Vorsorge vorlegen können.

Vorgehen bei einem Wechsel ohne AN-Vertretung nach Mitwirkungsgesetz

Phase 1 und 2
  • Ermittlung Kundenbedarf
  • Datenbeschaffung
  • Schriftliche Information an Mitarbeitende
Phase 3 und 4
  • Risikocheck Ist-Situation
  • Falls erforderlich, Erstellung eines Neukonzepts
  • Kostenberechnung Neukonzept
Phase 5
  • Vorselektion
  • Vorsorgeeinrichtung
  • Ausschreibung
Phase 6, 7 und 8
  • Offert-Vergleich
  • Finale Auswahl Anbieter
  • Nachverhandlungen
  • Wahl finaler Anbieter
Phase 9
  • Schriftliche Information an Mitarbeitende
  • Personalorientierung
  • Alternative Vorsorgelösung
  • Abstimmung
  • Umsetzung/Implementierung

Schliesslich stellt sich die Frage nach der Entschädigung. Im Geschäft der SGE sind Courtagen weit verbreitet. Für das KMU hat dies den Vorteil, dass keine direkten Kosten entstehen; die indirekten Kosten teilen sich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden im Verhältnis der Finanzierung der Vorsorge auf. Allerdings sollten die Courtagen in Schweizer Franken offengelegt werden, damit ein transparentes Bild der Entschädigung entstehen kann. Immer häufiger rechnet der Broker in Stundensätzen zulasten des KMU ab. Dadurch entstehen direkte Kosten, die ausschliesslich zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Dafür ist sichergestellt, dass der Broker bei der Auswahl auch SGE berücksichtigen kann, die keine Courtagenentschädigungen an Broker bezahlen.

Ein Gewinn für beide Seiten

Ein erfolgreicher Pensionskassenwechsel ist eine Win-win-Situation für beide Beteiligten: für das KMU (Arbeitgeber und Arbeitnehmende) und für die neue Vorsorgeeinrichtung.

Dabei sind die Risikofähigkeit der SGE und das Risikoprofil des Unternehmens massgebend: Passen sie zusammen, ergibt dies ein Verbesserungspotenzial hinsichtlich Verzinsung der  Sparkapitalien, dies bei angemessenen Risiko- und Verwaltungskosten.

 

[1] Urteil BGE 146 V 169, 5. Mai 2020.

Take Aways

  • Ist der Entscheid für einen Wechsel der Sammeleinrichtung gefallen, muss der richtige Partner für den neuen Anschluss ermittelt werden. Entscheidend dabei ist, dass das Risikoprofil des Unternehmens und die Risikofähigkeit der Sammeleinrichtung zusammenpassen.
  • Die Versicherungsmodelle lassen sich in vier Stufen einteilen. Von der Vollversicherung, mit kleinem Risiko aber auch wenig Mitbestimmung bei der Kapitalanlage, über die teilautonome Sammelstiftung und die Sparkasse-/Risikolösung bis zur eigenen Pensionskasse, die bei weitestgehender Mitbestimmung bei der Kapitalanlage auch das grösste Risiko birgt.
  • Im gesamten Prozess bietet ein Versicherungsbroker dem Unternehmen Unterstützung.

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