Wie sind Freelancer versichert?

Dienstag, 24. Mai 2022 - Stefan Widmer
Viele Hürden wurden bereits gemeistert und das Start-up ist erfolgreich unterwegs. Trotzdem ist das Unternehmen noch nicht stabil genug, um (mehr) feste Mitarbeitende einzustellen. Stattdessen möchte man mit freien Mitarbeitenden arbeiten. Dabei gibt es einige Punkte zu beachten.

Die Frage, ob eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit beim freien Mitarbeitenden vorliegt, entscheidet sich nicht nach dem Willen der Vertragsparteien, sondern nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Freelancer gelten nicht von sich aus als Selbständigerwerbende. Sofern Zweifel bestehen, ist im Einzelfall zu prüfen, um welche Erwerbsart es sich handelt.

Werden die Sozialversicherungsbeiträge gesetzeskonform bezahlt? Darauf müssen die Ausgleichskassen achten und der Entscheid, ob eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, zieht weitreichende rechtliche Konsequenzen im Versicherungsschutz nach sich.

Abgrenzung Selbständigerwerbende/Unselbständigerwerbende

Selbständigerwerbende sind freie Unternehmer, und eine selbständige Erwerbstätigkeit übt aus, wer ein Unternehmerrisiko trägt und vom Auftraggeber betriebswirtschaftlich und arbeitsorganisatorisch unabhängig ist. Es liegt in der Kompetenz und der Pflicht der Ausgleichskassen zu beurteilen, ob eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. Sind Anhaltspunkte für beide Erwerbsarten vorhanden, so richtet sich der Entscheid nach den überwiegenden Merkmalen. Einige – nicht abschliessende – Merkmale, an denen sich die Ausgleichskassen orientieren:

Merkmale eines Unternehmerrisikos

  • Handeln in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
  • Inkasso- und Delkredererisiko
  • Erhebliche Investitionen
  • Tragen eines Verlusts
  • Beschaffen von Aufträgen

Merkmale eines Abhängigkeitsverhältnisses

  • Weisungsempfänger
  • Konkurrenzverbot
  • Pflicht zur persönlichen Aufgabenerfüllung
  • Unterordnungsverhältnis
  • Präsenzpflicht

Auswirkungen

Das Beitragsbezugsverfahren und auch die anzuwendenden Beitragssätze sind bei Selbständigerwerbenden und Unselbständigerwerbenden unterschiedlich. Bei Unselbständigerwerbenden werden die Beiträge an die AHV, IV, EO und ALV hälftig von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden bezahlt. Zudem kommen weitere Beiträge hinzu, die zum Teil vollständig von den Arbeitgebenden übernommen werden müssen. Oder anders ausgedrückt: Der Arbeitgeber einer Person, die einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, ist verpflichtet, sich massgeblich an den Beiträgen an die Sozialversicherungen zu beteiligen. Die Selbständigen bezahlen hingegen ihre Beiträge an die Sozialversicherungen selber. Die Bestimmung des beitragsrechtlichen Status eines Freelancers und allgemein eines Versicherten ist deshalb von grosser Bedeutung.

Der Entscheid der Ausgleichskassen ist zudem auch für die Arbeitslosenversicherung, die berufliche Vorsorge, die Unfallversicherung und viele andere Bereiche massgebend. So sind Selbständigerwerbende nicht gegen Arbeitslosigkeit und nicht obligatorisch gegen Unfall versichert. Zudem fallen sie nicht unter das Obligatorium der beruflichen Vorsorge. Freiwillige Unterstellungen von Selbständigerwerbenden bei der Unfallversicherung, der beruflichen Vorsorge oder der Krankentaggeldversicherung sind allerdings möglich. Bei der Arbeitslosenversicherung gibt es als Selbständigerwerbende hingegen keine Möglichkeit, sich freiwillig versichern zu lassen.

Was muss zwingend mit Freelancern vereinbart werden?

Ein Freelancer muss eine Bestätigung seiner Ausgleichskasse vorlegen können, auf der ersichtlich ist, dass ein Anschluss bei einer Ausgleichskasse vorliegt und eine oder mehrere spezifische selbständige Erwerbstätigkeiten ausgeübt werden. Es ist empfehlenswert, eine aktuelle Bestätigung zu verlangen, d.h. die Bestätigung sollte nicht älter als sechs Monate sein. Die freien Mitarbeitenden können die Bestätigung direkt bei ihrer Ausgleichskasse bestellen. Diese wird in der Regel umgehend und kostenfrei ausgestellt.

Ist eine Bestätigung als Selbständigerwerbende auf sämtliche Erwerbstätigkeiten anwendbar? Nein, denn eine Bestätigung als Selbständigerwerbende berechtigt nicht dazu, sämtliche Erwerbstätigkeiten als Selbständigerwerbende auszuüben. Auf den Bestätigungen der Ausgleichskassen müssen die Erwerbszweige aufgeführt sein, für die die Freelancer als Selbständigerwerbende anerkannt sind. Fehlt eine bestimmte Tätigkeit auf den Bestätigungen, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob die fehlende Erwerbstätigkeit ebenfalls als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren ist. In einem solchen Fall müssen die freischaffenden Mitarbeitenden ihrer Ausgleichskasse die Vereinbarungen und Unterlagen zur Beurteilung der zusätzlichen Erwerbstätigkeit zur Verfügung stellen.

Take Aways

  • Sofern die Erwerbstätigkeit des Freelancers als unselbständig qualifiziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich massgeblich an den Sozialversicherungsbeiträgen zu beteiligen.
  • Die Abgrenzung zwischen Selbständigerwerbenden und Unselbständigerwerbenden ist oft nicht ganz eindeutig und bei Bedarf im Einzelfall durch die Ausgleichskasse zu prüfen und zu bestätigen.
  • Es lohnt sich, vor der Auftragsvergabe eine aktuelle Bestätigung als Selbständigerwerbende von den freischaffenden Mitarbeitenden zu verlangen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Die Serie Sozialversicherungen im Leben eines KMU

In der Serie «Sozialversicherungen im Leben eines KMU» beleuchten Experten unterschiedliche Phasen, die ein Unternehmen durchläuft, und zeigen auf, was bezüglich Sozialversicherungen zu beachten ist.

Die Serie fokussiert sich auf die Bedürfnisse des Unternehmens und erscheint im Wechsel mit der Serie «Lebenssituationen», die Fragen mit Fokus auf die Versicherten beleuchtet.

Der erste Artikel der Serie «Versicherung bei Unternehmensgründung» erschien in Penso 02/22 und kann hier nachgelesen werden.

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