Wir bleiben zuhause!

Mittwoch, 24. November 2021 - Gregor Gubser
Was während der Corona-Pandemie zum Leitspruch wurde, gilt auch für betagte Menschen. Allerdings in einem anderen Kontext: Sie möchten möglichst lang in der eigenen Wohnung leben und nicht in ein Alters- oder Pflegeheim umziehen. Dieser Trend sei nicht neu, aber er habe sich durch die Pandemie verstärkt, so die Fachleute an der RVK Fachtagung Langzeitpflege.

Die Langzeitpflege ist ein komplexes Thema mit vielen Akteuren: Pflegebedürftige, Heime, Spitex, Krankenversicherer sowie Kantone und Gemeinden. Sie alle müssen sich an neue Gegebenheiten anpassen oder diese gar antizipieren. Das wurde auch an der RVK Fachtagung Langzeitpflege deutlich, die unter dem Titel «Bleiben wir zu Hause? Folgen der Pandemie für die Langzeitpflege» stand.

Vernetzen statt bauen

Die Pflegeheime der Zukunft seien schon gebaut, sagte der Gesundheitsökonom Prof. Dr. oec. HSG Tilman Slembeck in seinem Eröffnungsvortrag. Was er damit meint, sind die Wohnungen der Pflegebedürftigen. Ein zentraler Wunsch der hochaltrigen Menschen sei es, möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben zu können.

Das zeigt sich an unterschiedlichen Orten. So beobachtet Marianne Pfister, Geschäftsführerin Spitex Schweiz, einen klaren Trend: Die Nachfrage nach Pflege zuhause steige seit 2015 um rund 10% jährlich. Nur zu Beginn der Corona-Pandemie habe es einen kurzen Einbruch bei den Spitexleistungen gegeben. Seither habe sich das Wachstum aber wieder verstärkt. Auf der anderen Seite zeigte Bea Heim, Co-Präsidentin des Schweizerischen Senionrenrats (SSR), in ihrem Referat, dass es in den meisten Kantonen in den nächsten Jahren ein Überangebot an Betten in Pflegeheimen geben werde. Die Herausforderung der Anbieter – also der Betreiber von Pflegeheimen, Gemeinden und Kantone wie auch der Spitexorganisationen sei es daher nicht, möglichst viele weitere Zimmer zu bauen, sondern die Organisationen miteinander zu vernetzen, um – wie es Slembeck ausdrückte – ein gutes Pflegeangebot entlang des «Patientenpfades» zu bieten. Dazu könnten Heime auch ambulante Angebote und Pflege zuhause aus einer Hand anbieten oder enger mit der Spitex zusammenarbeiten. Ziel müsse eine gute Koordination der Angebote sein, die die Betroffenen nach Bedarf in Anspruch nehmen könnten. Doch ein solcher Strategiewechsel sei gerade für Heime aufgrund der Investitionen und langen Planungszeiträume für Immobilien nicht einfach zu bewerkstelligen, gab Oliver Hofmann, CEO Caso Solaris AG und Vorstandsmitglied senesuisse zu bedenken.

Mangel an qualifizierten Pflegekräften

Doch gebe es noch eine weitere Herausforderung. Sowohl die Spitexorganisationen als auch die Heime suchten händeringend nach gut ausgebildeten Pflegefachpersonen. Dabei wären natürlich höhere Löhne hilfreich. Doch die Finanzierung von Betreuungs- und Pflegeleistungen sei ohnehin komplex. Für die Pflege im engeren Sinn komme die Krankenversicherung auf, die Betreuung und die Hotellerie werde von der öffentlichen Hand sowie den Betroffenen finanziert.

Eine Chance zur Entlastung der Pflegekräfte als auch der Angehörigen, die ebenfalls viele Betreuungsaufgaben wahrnehmen, sieht Slembeck in Robotern, die körperlich belastende Aufgaben übernehmen könnten (siehe dazu auch «Robotik und künstliche Intelligenz im Dienst der Human Augmentation»). Damit könnte Zeit und Energie für die menschliche Pflege gewonnen werden, so Slembeck. Heim stellte Strong Age vor, eine Lösung zum Monitoring von Vitalzeichen mithilfe von Sensoren in der Wohnung der Hochaltrigen. Wie lange wurden der Kühlschrank oder die Wohnungstür nicht mehr geöffnet oder die WC-Spülung betätigt? Besteht der Verdacht, etwas könnte nicht in Ordnung sein, schlägt das System Alarm und informiert Angehörige oder Fachpersonen.

Die neuen Alten einbeziehen

Heim prangerte an, dass die Hochaltrigen zu wenig angehört und in Projekte einbezogen würden, in denen es sich um sie drehe. Heim wünscht sich mehr Bewegung in der Alterspolitik und sprach von den «neuen Alten»: Menschen, die auch in hohem Alter aktiv und engagiert sind, als Berater, Grosseltern oder in Seniorengruppen. Sie stellte dazu das «Schweizer Manifest Rechte hochaltriger Menschen» der Senior GLP vor. Selbstbestimmtes und selbständiges Leben und Wohnen ist nur eine Forderung daraus.

Präsentationen der Referentinnen und Referenten

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