Die Entwicklung der Einnahmen und der Ausgaben der IV waren in den vergangenen Monaten von einer aussergewöhnlichen Volatilität geprägt, insbesondere als Folge der Covid-19-Krise. Auf der einen Seite schwankten die Projektionen der Beiträge des Bundes, die rund 40% der IV-Einnahmen ausmachen, stark. Das ist laut Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) darauf zurückzuführen, dass der Bundesbeitrag an die IV an die Entwicklung des Mehrwertsteuer-Ertrags gekoppelt ist. Dieser war in jüngster Zeit grossen Schwankungen unterworfen, und auch die Einschätzung der künftigen Erträge musste mehrmals revidiert werden.
Starke Schwankungen bei IV-Neurenten wegen Coronakrise
Auf der anderen Seite gab es bei der Zahl der neuen IV-Renten grosse Ausschläge sowohl nach oben als auch nach unten. Diese Volatilität ist schwierig zu interpretieren, doch dürfte auch hier die Covid-19-Krise eine Rolle gespielt haben, weil die IV-Stellen mehr Pendenzen abbauen konnten. Hinzu kommt die neue Berechnungsmethode des Invaliditätsgrades bei Teilzeitbeschäftigten mit der gemischten Methode, die seit 2018 angewendet wird und zu höheren IV-Renten geführt hat. Hinzu kommt, dass gegenwärtig noch nicht absehbar ist, wie sich allfällige langfristige gesundheitliche Probleme infolge einer Covid-19-Erkrankung (Stichwort «Long Covid») auf die IV auswirken werden.
Die hohen einnahmen- und ausgabenseitigen Schwankungen sowie die grosse Unsicherheit bei der Abschätzung der künftigen Entwicklung haben das BSV dazu veranlasst, für die Finanzperspektiven der IV drei unterschiedliche Szenarien zu berechnen. Gemäss dem hohen Szenario, das von einer eher günstigen Entwicklung der neuen IV-Renten ausgeht, wird die IV ab dem Jahr 2024 Überschüsse ausweisen. Das entspricht der bisherigen Einschätzung. Beim mittleren und tiefen Szenario verschiebt sich dieser Zeitpunkt auf das Jahr 2026, respektive 2028.
Finanzperspektiven der IV in drei Szenarien; in Millionen Franken, Ergebnis: rechte Skala
Ohne Reform 3.7 Milliarden Verlust in der AHV im Jahr 2030
Die finanziellen Rahmenbedingungen für die AHV, die EO und die EL präsentieren sich weniger unsicher als diejenigen der IV. Darum hat das BSV darauf verzichtet, auch für diese drei Versicherungen verschiedene Szenarien zu entwickeln. Aber auch für sie gilt, dass die Covid-19-Krise eine zuverlässige Aussage über die künftige Entwicklung der Finanzen schwieriger und unsicherer gemacht hat. Darum publiziert das BSV weiterhin keine Einschätzungen über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus.
Ohne Reform wird die AHV im Jahr 2030 einen Verlust von rund 3.7 Mrd. Franken erleiden. Der AHV-Ausgleichsfonds wird noch 62% einer Jahresausgabe betragen. Die bisher gültige Perspektive rechnete mit rund 3.6 Mrd. Franken Defizit und einem Fondsstand von 59% im Jahr 2030.
Bei der EO ergeben sich keine wesentlichen Veränderungen: Das Betriebsergebnis im Jahr 2030 wird gemäss den neuen Perspektiven bei voraussichtlich rund 215 Mio. Franken liegen, die liquiden Mittel bei etwa 118% einer Jahresausgabe. Bei den EL werden die Ausgaben von aktuell rund 4.8 Milliarden im Jahr 2020 auf voraussichtlich 5.7 Mrd. Franken im Jahr 2030 zunehmen. (gg)