Einstieg in HR-Analytics

Donnerstag, 30. Januar 2025 - Karen Heidl
Entscheidungen gewinnen durch datenbasierte Analysen ein stabiles Fundament. Der Einsatz von HR-Analytics kann der Beginn einer spannenden Reise sein. Kompakte Bildungsangebote in der Schweiz bieten dabei erste Orientierung. Penso sprach mit Prof. Dr. Michael Sitte von der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW darüber, worauf es beim Einstieg in das Thema ankommt.

Michael Sitte

Prof. Dr. Michael Sitte ist Professor für Human Resources Management am Institut für Personalmanagement und Organisation der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in HR-Analytics, betrieblichem Gesundheitsmanagement und Personalmarketing. Als Mitglied des Sounding Boards des Vereins Swiss HR Analytics engagiert er sich für die Weiterentwicklung datengetriebener HR-Ansätze.

Herr Prof. Dr. Sitte, eigentlich sind datenbasierte Analysen im Unternehmen eine betriebswirtschaftliche Grundkompetenz. Eine Studie[1] aus dem Jahr 2023 zeigt allerdings, dass diese in den HR-Abteilungen und ­gerade im Mittelstand nicht selbstverständlich sind. Worauf führen Sie dies zurück?

Dies ist sicherlich kein schweizspezifisches Phänomen. Ich denke, dass wir in vielen Organisationen noch HR-Abteilungen haben, die eher reaktiv unterwegs sind: Man muss Brände löschen, kümmert sich um die alltäglichen Angelegenheiten des Personalmanagements und musste bisher nicht im gleichen Masse mit Daten arbeiten, wie dies in anderen Abteilungen wie Marketing oder Verkauf schon immer der Fall war. Das war bisher quasi nicht Teil des Kerngeschäfts. Die Trendstudie «Data-driven HRM» (2023)[2] zeigte, dass die Affinität zu datenbasierten Analysen in den HR-Abteilungen nicht so ausgeprägt ist wie in anderen Geschäftsbereichen. Wenn man mit HR-Fachleuten spricht, hört man immer wieder das Statement: «Unsere Aufgabe ist es, uns um Menschen zu kümmern, nicht um Zahlen», aber hier liegt ein Trugschluss vor sowohl in der Selbst- als auch in der Aussenwahrnehmung. Selbstverständlich arbeitet HR mit Zahlen. Natürlich kennen HR-Verantwortliche die Fluktuationsrate, sie wissen, welche Probleme bestehen und ob es bei den Löhnen ein Marktfaktorproblem gibt. Aber dieses Wissen wird nicht so strukturiert aufbereitet, sichtbar gemacht und genutzt wie in anderen Bereichen der Organisation.

Was waren Ihre Überlegungen bei der Entwicklung des Weiterbildungs-Kompaktkurses an der FHNW?

Ich unterrichte das Thema HR-Analytics in verschiedenen berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten wie dem MAS Human Resource Management und verschiedenen CAS-Kursen. Dabei stellte ich immer wieder fest, dass eine eintägige Abhandlung des Themas vielen Teilnehmenden zu kurz erscheint, während eine Weiterbildung, die auf längere Zeit angelegt ist, für einige Interessenten wiederum zu umfangreich ist. Deshalb ist die Idee entstanden, einen mehrtägigen Kurs zu entwickeln, der eine praxisorientierte Starthilfe ins Thema gibt. Wir haben den Kurs im Jahr 2024 zum ersten Mal durchgeführt. Die Teilnehmenden haben zumeist HR-Leitungsfunktionen oder Rollen im Bereich Payroll & Services inne. Sie bringen konkrete Fragestellungen aus ihrer Praxis mit, für die sie selbst keine Lösungen finden. Man muss bedenken, dass HR derzeit vor einigen Herausforderungen wie Fachkräftemangel und demografischem Wandel steht. Dabei geht es nicht nur um die Fluktuation, sondern auch um die Frage, welche Fähigkeiten die Organisation in Zukunft braucht und wie sich zugleich der Arbeitsmarkt entwickelt. Die Teilnehmenden wollen eine Orientierung gewinnen, wie sie diese und andere Fragen zur Gestaltung der Zukunft strukturiert angehen und Massnahmen dafür entwickeln können.

Dass das Thema Skill-Management mehr Zuspruch ­erfahren wird, geht ebenfalls deutlich aus der anfangs zitierten Studie hervor.

Es gibt einige Disziplinen im HR, die schon immer stärker datengetrieben waren als andere, beispielsweise Recruiting, wo Time-to-Hire, Qualität der Bewerbenden, Anzahl der Bewerbungen usw. gängige Key-Performance-Indikatoren (KPI) darstellen. Aber sobald Themen übergeordneten Charakter haben, etwa eine strategische Personalplanung, fliessen Zahlen aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Die Rekrutierungskennzahlen aggregieren sich mit Talentmanagement-Kennzahlen, Demografie-Entwicklungsdaten, Fluktuationserwartungen durch Ruhestand usw. Die Hoheit über diese Daten liegt zum Teil in verschiedenen Bereichen. Deren Strukturierung und Zusammenführung muss für strategische Fragestellungen organisiert werden, um sie dann auswerten und fundierte Massnahmen ableiten zu können.

Ab welcher Unternehmensgrösse werden HR-Analytics relevant?

Ich würde eine Grenze bei Unternehmen ab ungefähr 150 Mitarbeitenden ziehen. Unterhalb dieser Grenze existieren persönlichere Formen der Zusammenarbeit: Man kennt einander und weiss beispielsweise, wer wann in Pension geht. Häufig gibt es in kleineren Unternehmen auch kein professionelles HR-Management, das auf strategischer Ebene agiert; stattdessen werden Administrationsaufgaben von bestimmten Personen zusammen mit anderen Aufgaben wahrgenommen. Kleinere Unternehmen verfügen dafür über mehr qualitative Daten. Sie kennen beispielsweise Kündigungsgründe und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden besser. Auch sind sie oft sehr viel schneller darin, Massnahmen aus diesen Erkenntnissen abzuleiten und umzusetzen. Etwa die Hälfte der grossen Unternehmen – selbst derjenigen mit umfassenden Analytics-Systemen – scheitert häufig an der Überführung der Erkenntnisse in Handlungsempfehlungen und daran, diese dann auch tatsächlich zu befolgen.

Wie lässt sich dieses Scheitern erklären?

Die Ursachen können vielfältig sein. Die Frage ist, wie man mit den Analyseergebnissen umgeht: Werden sie der Geschäftsleitung zur Diskussion präsentiert? Unterbreitet das HR Vorschläge für Massnahmen? Oder fliessen sie lediglich in ein jährliches HR-Reporting ein, das zwar zur Kenntnis genommen, aber oftmals nicht weiter genutzt wird – was leider in vielen Organisationen der Fall ist. Der grosse Vorteil von Datenanalysen im HR liegt aber eigentlich darin, dass sie eine valide Diskussionsgrundlage schaffen. Der Austausch muss organisiert werden. Diese Diskussion muss handlungsorientiert erfolgen und die Umsetzung kontrolliert werden.

Einstiegskurse HR-Analytics

In der Schweiz bieten mehrere Hochschulen und Weiter­bildungsinstitute Seminare und Zertifikatslehrgänge im Bereich HR-Analytics an. Hier eine Auswahl:

Swiss HR Academy

People Analytics – Grundlagen: Ein eintägiges Seminar, das die Grundlagen der Datensammlung, -aufbereitung und -interpretation im HR-Bereich vermittelt.
2. September 2025

People Analytics – Vertiefung: Ein weiterführendes Seminar, das sich auf die Definition und Darstellung von KPI sowie die Interpretation von HR-Daten konzentriert.
4. Februar 2025, 23. September 2025

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW

Datenanalyse im HRM – Einstieg in HR-Analytics: Ein dreitägiger Kompaktkurs, der praxisorientiert in die Daten­analyse im HR-Management einführt.
21. Februar 2025

Weka

HR-Kennzahlen wirksam anwenden:
Vom einzelnen KPI hin zu ­People Analytics.
26. März 2025

Bei diesen Einstiegsseminaren handelt es sich um Präsenzveranstaltungen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Online-Seminaren sowie CAS-Zertifizierungen verschiedener Bildungseinrichtungen.

Der HR-Analytics-Kompaktkurs an der FHNW ist auf drei Tage ausgelegt. Wie bauen diese aufeinander auf?

Der auf 14 Teilnehmende begrenzte Kurs wird von zwei Dozierenden eng betreut. Zwischen den Kurstagen liegen jeweils zwei Wochen, in denen die Teilnehmenden ihre eigenen Analyseprojekte aufbauen. Wir verstehen uns nicht nur als Informationsvermittler, sondern auch als Begleitung für die individuellen Aufgabenstellungen. Nach dem ersten Tag haben die Teilnehmenden ihr Projekt grob umrissen und schärfen in den kommenden beiden Wochen ihre Aufgabenstellung. Sie identifizieren mögliche Datenquellen und validieren diese. Am zweiten und dritten Kurstag wird das Projekt weiter präzisiert und miteinander diskutiert. Die Teilnehmenden agieren wie eine Fachcommunity, in der jede Person spezifische Kenntnisse einbringt. Dies ist neben den inhaltlichen Themen ein weiteres wichtiges Ziel der Veranstaltung. Ein Follow-up nach der Erstdurchführung des Kurses zeigte, dass diese Möglichkeit des Peer-Austauschs sehr begrüsst wird.

Konnten sie auch schon Massnahmen entwickeln?

Tatsächlich konnten mehrere Teilnehmende bereits kurze Zeit nach dem Fachkurs mit ihren Projekten starten und diese erfolgreich durchführen. Die Ergebnisse ihrer Analysen wurden Leitungsgremien oder Geschäftsleitungen präsentiert und gemeinsam mit den Führungskräften Massnahmen verabschiedet. So hatten wir uns das anfänglich gewünscht.

Buchempfehlung:

Datenanalyse im HRM – erstellen und analysieren

Wer einen strukturierten und effektiven Einstieg in die Welt der Datenanalyse im HRM sucht, findet mit diesem 67-seitigen kompakten Leitfaden eine zügige Orientierung über die wesentlichen Themen. Er vermittelt die grundlegenden Kenntnisse zur Datenanalyse im Personalmanagement, erklärt Methoden zu Identifikation, Aufbereitung und ­Analyse relevanter Daten und erläutert die Erstellung, Überprüfung und Interpretation zentraler Kennzahlen entlang des Employee Life Cycles. Viele praktische Hinweise zur Vermeidung typischer Fehler in der Datenanalyse und zur Sicherstellung einer validen Entscheidungsgrundlage unterstützen Personen beim Einstieg in das Themenfeld.

ISBN: 978-3-297-02282-5
Umfang: 67 Seiten
CHF 28.00
E-Book zum Download

Geben Sie im Seminar auch Empfehlungen zu Tools?

Die Bedürfnisse der Unternehmen und ihre systemtechnischen Ausgangslagen sind extrem unterschiedlich. Deshalb halten wir uns mit Empfehlungen sehr zurück. Es gibt viele unkomplizierte, moderne Tools. Ich gebe immer zwei grundsätzliche Hinweise:

Man sollte sich darüber Gedanken machen, was man wirklich braucht, bevor man sich von bunten Bildern und interaktiven Infografiken mitreissen lässt. Welche Fragestellungen will man fokussieren, und welche Tools können hier einen Beitrag leisten?

Der zweite Hinweis bezieht sich auf die Datenqualität: Man kann fantastische Dashboards aufbauen, aber wenn die Daten dahinter nicht zuverlässig und qualitativ hochstehend einfliessen, dann gibt es ein Problem.

Zudem: Was nützt ein Dashboard, wenn Probleme und Massnahmen nicht diskutiert werden? Bevor man also ein Dashboard kreiert, sollte man den Prozess, in dem Erkenntnisse in der Organisation bearbeitet werden, implementiert haben.

Welche Chancen bietet datenbasierte Entscheidungsfindung HR-Verantwortlichen?

Ich möchte HR-Verantwortlichen Mut machen, das Thema HR-Analytics proaktiv anzugehen. Genau das wollen wir mit unserem Kompaktkurs unterstützen. Wir wollen die Angst davor nehmen, einfach mal zu starten. Es kann sehr viel Freude machen, mit Daten zu arbeiten und Fragestellungen nachzugehen. Eine saubere Analyse schafft eine gute Basis für Proaktivität. Damit haben HR-Verantwortliche die Möglichkeit, aus ihrer oftmals reaktiven Rolle herauszuwachsen, Entwicklungen anzuschieben und Chancen zu nutzen. So wird HR zum strategischen Partner. Dies wird meist schnell deutlich, wenn die ersten Analyseergebnisse vorliegen. Ich erlebe es häufig, dass Geschäftsleitungen unmittelbar Folgeprojekte in Auftrag geben und dass das HR durch diese Beiträge als Businesspartner sehr viel ernster genommen wird.

[1] Gerber, Marius, Andreas Krause und Jonas Probst, 2023. HR Analytics in der Schweiz. Personal Schweiz. 2023. Bd. 2023, Nr. 2, S. 20–21.
[2] Rother, Timna, Ellenor Hunn, Michael Sitte, 2023. Data-driven HRM.

Take Aways

  • Neben der Analyse von aktuellen Entwicklungen kann HR-Analytics Fragestellungen der strategischen Personalplanung adressieren, um zukünftige Fähigkeiten zu identifizieren, Marktentwicklungen zu beobachten und gezielte Massnahmen zu entwickeln.
  • Die Relevanz von HR-Analytics hängt von der Grösse eines Unternehmens und seinem Digitalisierungsgrad ab.
  • Erfolgreiche Datenanalysen benötigen handlungsorientierte Prozesse.
  • HR-Analytics ermöglicht es HR, proaktiver zu agieren und strategische Entwicklungen anzustossen. Erfolgreiche Projekte fördern die Anerkennung von HR als Businesspartner und stärken dessen Rolle im Unternehmen.
  • Kompaktkurse verschiedener Bildungsanbieter in der Schweiz vermitteln Orientierung und ermöglichen Vernetzung zwischen Peers.

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