Das jährliche Mitarbeitergespräch – ein Ritual aus vordigitalen Zeiten?
Auch moderne Führung braucht noch das jährliche Mitarbeitergespräch, meint Matthias Mölleney – aber es sollte das entspannteste Gespräch des Jahres sein.
Die nach dem 2. Weltkrieg aus den USA nach Europa geschwappten Personalbeurteilungssysteme, die zuvor bereits beim Klerus und im Militär eingesetzt wurden, haben sich weit verbreitet. In ausgefeilten Systemen werden vereinbarte Ziele hinsichtlich der Erreichung auf Nominalskalen oder verbal sowie stellenrelevantes Verhalten durch Führungskräfte eingeschätzt.
Für eine verbale Beurteilung im Arbeitszeugnis gibt es sogar einen Rechtsanspruch auf Einschätzung durch das Unternehmen. OR 330a schreibt vor, dass Mitarbeitende jederzeit ein Zeugnis verlangen können, das Auskunft über Leistung und Verhalten gibt. Doch nicht nur für diesen Zweck sind solche Einschätzungen hilfreich; sie sind auch eine gute Basis für die Personalentwicklung oder zur Begründung einer Entlassung.
Eine Herausforderung bei einer Beurteilung besteht darin, hinter einer beispielsweise vierstufigen Skala je Stellenanforderung Formulierungen für beobachtbares Verhalten bereitzustellen. Auf diese Weise begründet man — analog den in der Zeugnissoftware hinterlegten Sätzen — eine bestimmte Einstufung in einem Kriterium. Die Formulierungen sollen dabei helfen, dass beispielsweise die tiefste Stufe vier durch Mitarbeitende akzeptierbar und der Entwicklungspfad «in den grünen Bereich» erkennbar wird.
Gerade jüngere Mitarbeitende oder solche, die erst seit kurzer Zeit in einer Funktion tätig sind, schätzen explizit geäusserte Einschätzungen der Führungskraft. So wird man sich seiner Wirkung (Fremdbild) bewusst und kann es mit dem Eigenbild abgleichen.
Der Trend geht heute weg von «nur» jährlichen Beurteilungen wie sie im MbO (Management by Objectives and Selfcontrol, also Führen mit Zielvereinbarung und Selbstkontrolle) postuliert wurden. Wo ist die Welt noch so prognostizier- und vor allem beeinflussbar, dass die Zielperiode gleich ein ganzes Jahr umfassen kann? Also müssen analog zu modernen, agilen Projektmanagementmethoden kürzere Zyklen vereinbart werden. Der Fokus in diesen Gesprächen liegt damit nicht auf der rückblickenden Beurteilung, sondern der ausblickenden Entwicklung und Performance. Wo stehst du mit deiner Arbeit? Was kommt auf dich zu? Brauchst du weitere Informationen, Unterstützung oder neue Kenntnisse zur Bewältigung? Solche Fragestellungen wirken motivierender und helfen somit eher, Unternehmensziele zu erreichen, als eine Rückschau.
Ein Endjahresfazit kommt zeitlich ohnehin zu spät; das Ergebnis ist im besten Fall erreicht und im schlechteren eben nicht – in keinem Fall lässt es sich rückwirkend beeinflussen. Diese Coachinggespräche brauchen Vorgesetzte, die sich für die Mitarbeitenden interessieren, ihnen zuhören und sie unterstützen. Eine typische Führungsaufgabe, wenn es darum geht, die Basis zur Leistungserbringung, also einen optimalen Rahmen zu schaffen.
Specific - Spezifisch - Klarer Zielinhalt, Resultate nicht Aufgaben
Measurable - Messbar - Beurteilbare/messbare (Entwicklungs)-Ziele
Attainable - Attraktiv - Sinneinsicht/Nutzenvermittlung
Relevant - Realistisch - Relevanz bzw. Erreichbarkeit der Ziele
Trackable - Terminiert - Machbare Fortschrittskontrolle bzw. (Zwischen-)Termine setzen
Eine Weiterentwicklung des klassischen MbO ist das Managementsystem Objectives and Key Results (OKR); es unterstützt eine zielgerichtete und moderne Personalführung. Kürzerfristige Teamzielsetzungen (Objectives) und deren Messung anhand von Ergebniskennzahlen (Key Results) stehen im Vordergrund (siehe Kasten im Interview mit Matthias Mölleney).
OKRs minimieren die leidige Diskussion darüber, welche exogenen oder endogenen Faktoren das Leistungsergebnis beeinflusst haben mögen. Schliesslich hängt die Performance häufig von nicht beeinflussbaren, externen Einflüssen ab; zudem lässt sich die Einzelleistung kaum von der Teamleistung isolieren.
Wenn in einem 180°-Beurteilungssystem Mitarbeitende auch ihren Vorgesetzten Rückmeldungen geben können oder gar – auch undokumentiertes – Feedback von Gleichgestellten erhalten, beispielsweise von internen Leistungsempfängern oder -erbringern, trägt dies zu einem realistischen Selbstbild bei.
Auch moderne Führung braucht noch das jährliche Mitarbeitergespräch, meint Matthias Mölleney – aber es sollte das entspannteste Gespräch des Jahres sein.
Zwei Faktoren sind entscheidend, um dynamische Feedback- und Führungsroutinen zu entwickeln: zum einen Vertrauen in Teams, die ihre Feedback-Routinen passend zu ihrer Arbeitsrealität strukturieren, zum anderen HR-Verantwortliche, die kompetent verschiedene Methoden und Tools anbieten können. Ein Gespräch mit Prof. Armin Trost.
Wie man im Unternehmen Ziele so setzt, dass sie auch tatsächlich erreicht werden, und wie man dabei die leistungssteigernde Motivation der Mitarbeitenden fördert, ist ein komplexes Thema. Die sozialpsychologische Forschung beschäftigt sich damit seit den 1980er Jahren und erkundet, welche Bedingungen beim Setzen von Zielen tatsächlich leistungsfördernde Effekte generieren.
Flexible Feedbackroutinen, die den Dialog fördern und Tipps für Beurteilungsgespräche
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