Im Arbeitsrecht findet sich keine ausdrückliche Pflicht zum Führen von Mitarbeitergesprächen. Allerdings leitet sich diese Pflicht indirekt von verschiedenen anderen gesetzlichen Normen ab.
Einzelne arbeitsrechtliche Pflichten bedingen Mitarbeitergespräche
Aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (Art. 321d OR) folgt eine Pflicht zur Führung von transparenten Mitarbeitergesprächen. Denn nur, wenn der Arbeitgeber klar kommuniziert, was er bezüglich der Ausführung der Arbeit und des Verhaltens des Arbeitnehmers im Betrieb erwartet, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht gut erfüllen.
Ohne regelmässige Standortgespräche kann der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht (Art. 328 OR), das wirtschaftliche Fortkommen seiner Mitarbeitenden zu fördern, schlecht nachkommen. Dazu sind Standortbestimmungen, konstruktive Rückmeldungen und gemeinsame Zielsetzungen bezüglich beruflicher Entwicklung und Weiterbildung notwendig. Aus der Fürsorgepflicht und dem Persönlichkeitsschutz leiten sich auch die Grundsätze des respektvollen Umgangs ab. Erhebt ein Mitarbeiter den Vorwurf von Mobbing, muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass er seiner Fürsorgepflicht nachgekommen ist (siehe auch «Arbeitgeberpflichten bei Mobbing am Arbeitsplatz»).
Allfällige Haftpflichtansprüche (Art. 321e OR) aus Verletzung der Fürsorgepflicht können nur durch den Nachweis abgewehrt werden, dass entsprechende Gespräche und Ermahnungen mit transparenten Vorgaben des Arbeitgebers stattgefunden haben. Er hat beispielsweise darauf zu achten, dass alle Schutzvorschriften des Arbeitsgesetzes im Betrieb auch tatsächlich gelebt werden.
Nur wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter während des Arbeitsverhältnisses regelmässig qualifiziert und über die Bewertung von Leistungen und Verhalten informiert, kann er seiner Pflicht, ein Arbeitszeugnis zu erstellen (Art. 330a OR), nachkommen. Er muss das Arbeitszeugnis als Urkunde wahrheitsgemäss erstellen und trägt die Beweislast (Art. 8 ZGB) für Bewertungen, die gemäss Praxis der Arbeitsgerichte unter «gut» liegen.
Um die Folgen einer als missbräuchlich angefochtenen Kündigung (Art. 336 OR) abzuwehren, muss der Arbeitgeber in der Lage sein, die objektiv vorliegenden Kündigungsgründe, oft Mängel in Verhalten oder Leistung, zu beweisen.
Das Gleichstellungsgesetz sieht bei Diskriminierung am Arbeitsplatz eine Beweislasterleichterung (Art. 6 GlG) vor. Gelingt es der Mitarbeiterin, Tatsachen anzuführen, die eine Diskriminierung als wahrscheinlich erscheinen lassen, so liegt es an der Arbeitgeberseite zu beweisen, dass trotzdem keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt, sondern die Ungleichbehandlung andere, sachliche Gründe hat.
Arbeitsplatzbezug muss gegeben sein
Schwierig sind Mitarbeitergespräche, wenn sie einen für eine Partei unangenehmen Inhalt haben. Themen, die besprochen werden müssen, sind beispielsweise:
- zweifelhafte, wiederholte Krankmeldungen;
- häufiges Telefonieren oder Surfen;
- Vernachlässigung des äusseren Erscheinungsbilds;
- wiederholte Hinweise auf Alkoholkonsum am Arbeitsplatz;
- fehlende Teambereitschaft, Flexibilität oder Rücksichtnahme gegenüber Kollegen;
- auffallende Veränderungen in Leistung oder Verhalten.
Heikle Themen dürfen und müssen angesprochen werden, solange sie einen sichtbaren Bezug zum Arbeitsalltag haben. Der Arbeitgeber hat das Recht, die vertraglich vereinbarte Leistung vollumfänglich einzufordern. Bei belastenden Verhaltensauffälligkeiten hat er zudem eine Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Mitarbeitern.
Es stellt keine Persönlichkeitsverletzung dar, wenn im Mitarbeitergespräch mangelnde Leistungen oder unangemessenes Verhalten sachbezogen thematisiert werden. Dies ist regelmässig der Fall, wenn konkrete, aktuelle Beispiele aufgeführt werden. Der direkte Bezug zum Arbeitsalltag und eine faire und realistische Beurteilung der angeführten Beispiele lassen auch wenig wohlwollende Aussagen zu. Dabei ist die direkte Auswirkung des festgestellten Problems auf Leistung oder Verhalten das Gesprächsthema und nicht das Problem selbst.
Themen ohne Arbeitsplatzbezug sind nicht zulässig
Die strikte Grenze der erlaubten Themen bildet wie im ganzen Arbeitsverhältnis der Arbeitsplatzbezug. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber jedes mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehende Thema zum Gegenstand eines Mitarbeitergesprächs machen, wenn es einen sachlich begründeten Anlass hat. Gespräche über Themen, die nicht das Arbeitsverhältnis betreffen, sind verboten. So kann wohl die Auswirkung einer Arbeitsunfähigkeit auf die künftige Arbeitsorganisation ein Thema sein, niemals aber die der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegende Diagnose. Der Einfluss von Problemen im Privatbereich des Arbeitnehmers auf seine Leistung und sein Verhalten darf thematisiert werden. Niemals aber dürfen die konkreten Ursachen seiner Probleme Inhalt eines Gesprächs sein.
Wenn also ein Mitarbeiter während der Fasnachtszeit im Betrieb nur noch rumhängt, dürfen nicht die durchgezechten Nächte, sondern lediglich der objektiv festgestellte Leistungsabfall Thema der Besprechung sein. Der Lernende, der nächtelang gamt, darf dies grundsätzlich, solange er ausgeruht zur Arbeit erscheint. Tut er dies nicht, wird seine ungenügende Leistung oder fehlende Konzentration bei der Arbeit Inhalt des Gesprächs sein. Privater Alkoholgenuss darf ohne Arbeitsplatzbezug nicht angesprochen werden. Der Arbeitnehmer kann trinken, so viel er will, solange er während der Arbeitszeit nüchtern ist. Wirkt sich sein privates Verhalten jedoch objektiv nachweisbar auf die Arbeitsleistung aus, so sind die festgestellten Auswirkungen am Arbeitsplatz Thema.
Diese strikte gesetzliche Schranke zwischen verbotenen Fragen zum Privatleben und erlaubter Thematisierung allfälliger Konsequenzen am Arbeitsplatz kann allerdings in einem von Respekt und Vertrauen getragenen Mitarbeitergespräch überschritten werden. Die Initiative dazu muss vom Arbeitnehmer ausgehen. Dies bedingt jedoch eine Akzeptanz der beurteilenden Person sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht.
Ziel und Durchführung des Gesprächs
Ziel des Gesprächs ist unter anderem, dass jede Partei die Haltung der anderen zum heiklen Thema kennt und dazu Stellung genommen hat. Im Idealfall werden gemeinsam vereinbarte Massnahmen und die Konsequenzen bei Nichteinhaltung in einem Protokoll festgehalten. Dieses sollte auch eine Beobachtungsperiode samt Folgetermin für eine erneute Standortbestimmung enthalten.
Nicht immer führt das Gespräch zu Einsicht und Konsens. Im Rahmen seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber auch einseitig eine ausdrückliche Abmahnung aussprechen. Er ist berechtigt, klare Vorgaben von Zielen samt Konsequenzen bei deren Nichteinhaltung zum Inhalt des Gesprächs und Protokolls zu machen.
Ob eine Vertrauensperson am Gespräch teilnehmen darf, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Arbeitgeber kann dies verweigern. Sobald jedoch aufseiten des Arbeitgebers mehr als eine Person am Gespräch teilnimmt, hat der Arbeitnehmer im Sinne einer Waffengleichheit Anspruch auf den Beizug einer Begleitperson. Selbstverständlich ist ein Dolmetscher jederzeit zuzulassen.
Mit der Einladung muss dem Mitarbeitenden das Thema des Gesprächs bekannt gegeben werden. Es muss ihm auch genügend Zeit zur Vorbereitung gewährt werden. Zudem muss Klarheit über die Art des Gesprächs herrschen. Das gebietet die Fürsorgepflicht. Aus dieser leitet sich auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Gespräch ab. Demgegenüber darf er bei Gesprächen mit Arbeitsplatzbezug seine Teilnahme nicht verweigern.
Verlässt der Mitarbeiter während eines korrekt geführten Gesprächs den Raum, verletzt er seine arbeitsrechtlichen Pflichten. Auch der Arbeitgeber verletzt seine Pflichten, wenn er ein gewünschtes Gespräch verweigert. Unberechtigte Verweigerungen können bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen.
Verboten ist das heute nicht selten auftretende, heimliche Aufnehmen des Gesprächs. Dies stellt eine schwere Treuepflicht- bzw. Persönlichkeitsverletzung dar und ist auch nach Datenschutzgesetz verboten. Es lohnt sich bei der Durchführung des Gesprächs, diesem Punkt Beachtung zu schenken.
Dokumentation
Als Grundregel gilt, was an Verhalten und Leistung erwartet wird, muss klar kommuniziert, besprochen und im Personaldossier dokumentiert sein. Überspitzt gesagt, existiert nicht, was nicht dokumentiert wurde. Das kann dazu führen, dass der Arbeitgeber im Gerichtsverfahren den Beweis nicht erbringen kann.
Dokumentieren bedeutet dabei nicht, dass alle Einträge vom Arbeitnehmer unterzeichnet sein müssen. Das Gericht ist frei in seiner Beweiswürdigung (Art. 157 ZPO). Im Anschluss an ein Gespräch wegen wiederholter Unpünktlichkeit erfüllt eine Verwarnung per Mail den Zweck der Dokumentation. Protokolle zu Besprechungen, zu denen per Mail unter Bekanntgabe des konkreten Themas eingeladen wurde, sind wie kurze Handnotizen auch ohne Unterschrift hilfreich.
Es lohnt sich in jedem Fall, das Personaldossier regelmässig zu füttern. Das regelmässige kurze Besprechen und Festhalten von konkreten Ereignissen dient der Objektivität und einer fairen, sachlich begründeten Jahresbewertung.
Die Ergebnisse von rechtlich relevanten Mitarbeitergesprächen sind aus Beweisgründen immer in einem Protokoll festzuhalten. Dieses sollte objektiv formuliert und nach einem einheitlichen, nachvollziehbaren Massstab verfasst sein. Das heisst, dass alle persönlichen Fragen, die nicht direkt mit der Arbeitsleistung oder dem Verhalten des Mitarbeitenden zu tun haben, in diesem Protokoll nichts verloren haben. So abgefasst und von beiden Parteien unterzeichnet, stellt das Protokoll ein hervorragendes Beweismittel dar.
Berichtigen und Löschen der Protokolle im Personaldossier
Unrichtige Einträge können die Mitarbeitenden berichtigen lassen (Art. 32 DSG). Dies gilt insbesondere für belastende, unrichtige Tatsachenbehauptungen über Leistung oder Verhalten. Ist der Mitarbeiter mit Aussagen im Gesprächsprotokoll nicht einverstanden, so kann er die Löschung von nachweislich objektiv falschen Aussagen verlangen. Bei unterschiedlichen oder subjektiven Wertungen hat er keinen Anspruch auf Berichtigung oder Löschung, kann dem Protokoll jedoch seine Sachverhaltsdarstellung beifügen.
Take Aways
- Im Gesetz finden sich keine expliziten Vorschriften zu Mitarbeitergesprächen. Indirekt verlangen aber andere Pflichten wie das Weisungsrecht des Arbeitsgebers, seine Fürsorgepflicht oder seine Pflicht, ein Arbeitszeugnis zu erstellen, das Führen von Mitarbeitergesprächen.
- Themen ohne Arbeitsplatzbezug dürfen nicht Inhalt von Mitarbeitergesprächen sein.
- Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer dürfen Gespräche zu Themen mit Arbeitsplatzbezug verweigern.
- Bei Einladung und Durchführung des Gesprächs ist der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmenden zu beachten.
- Rechtlich relevante Gespräche sind aus Beweisgründen zu protokollieren und von beiden Parteien zu unterzeichnen.