Die Arbeitslosenversicherung (ALV) soll in erster Linie arbeitslosen Personen einen angemessenen Erwerbsersatz sichern. Darüber hinaus kennt die ALV aber noch weitere Leistungen. Darunter die Kurzarbeitsentschädigung, die insbesondere während der Coronakrise einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein rückte. Im Folgenden werden die einzelnen Leistungen kurz erläutert. Weitere Informationen wie gesetzliche Grundlagen oder relevante Gerichtsurteile können unter sosipedia.swiss nachgeschlagen werden.
Arbeitslosenentschädigung
Die Arbeitslosenentschädigung wird in Form von Taggeldern ausgerichtet. Die Taggeldhöhe beträgt 80% des versicherten Verdiensts (maximal 148200 Franken), wenn die arbeitslose Person unterhaltspflichtig gegenüber Kindern unter 25 Jahren ist, ihr Taggeld 140 Franken nicht übersteigt, oder sie eine IV-Rente bezieht. Andernfalls beträgt das Taggeld 70% des versicherten Verdiensts.
Anspruch auf eine Arbeitslosenentschädigung hat, wer:
- ganz oder teilweise arbeitslos ist,
- einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat,
- in der Schweiz wohnt,
- die obligatorische Schulzeit zurückgelegt und weder das Rentenalter der AHV erreicht hat noch eine Altersrente der AHV bezieht,
- die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist,
- vermittlungsfähig ist und
- die Kontrollvorschriften erfüllt.
Die arbeitslose Person muss sich zudem beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung anmelden und bei einer in ihrem Wohnkanton tätigen Arbeitslosenkasse den Antrag auf Arbeitslosenentschädigung stellen.
Die Höchstzahl der Taggelder ist abhängig vom Alter der versicherten Person, der Dauer der zurückgelegten Beitragszeit, der Unterhaltspflicht und dem Bezug einer Invalidenrente. Die Zahl variiert somit zwischen 90 Taggeldern (Personen, die von der Beitragspflicht befreit sind) und 520 Taggeldern (22 Monate Beitragszeit und älter als 55 Jahre oder Bezüger einer Invalidenrente mit mindestens 40% IV-Grad). Personen, die innerhalb von vier Jahren vor dem ordentlichen AHV-Alter arbeitslos werden, haben Anspruch auf 120 zusätzliche Taggelder, sofern sie die AHV-Altersrente nicht vorbeziehen. Für den Taggeldbezug gilt in der Regel eine zweijährige Rahmenfrist.
Kurzarbeitsentschädigung
Die Kurzarbeitsentschädigung (KAE) deckt den Arbeitgebenden über einen gewissen Zeitraum einen Teil der Lohnkosten zugunsten der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmenden. Damit soll verhindert werden, dass wegen kurzfristiger und unvermeidbarer Arbeitsausfälle Kündigungen ausgesprochen werden. Während der Coronakrise wurden der Kreis der berechtigten Arbeitnehmenden ausgeweitet und Fristen verlängert (siehe Kasten).
Anspruch auf KAE haben Arbeitnehmende, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist. Ein Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn er auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und unvermeidbar ist sowie je Abrechnungsperiode mindestens 10% der normalerweise geleisteten Arbeitsstunden beträgt. Dazu zählen auch Arbeitsausfälle, die auf behördliche Massnahmen (z.B. Corona-Beschränkungen) zurückzuführen sind.
Keinen Anspruch auf KAE haben:
- Arbeitnehmende, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist;
- Personen, die als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehepartner;
- Arbeitnehmende mit einem befristeten Arbeitsverhältnis oder solche, die Arbeit auf Abruf leisten;
- Personen in einem Lehrverhältnis;
- Arbeitnehmende, die im Auftrag einer Organisation für Temporärarbeit eingesetzt werden;
- Arbeitnehmende, die mit der Kurzarbeit nicht einverstanden sind.
Die KAE beträgt 80% des anrechenbaren Verdienstausfalls bis zum UVG-Höchstbetrag (Jahreslohn 148200). Massgebend ist der vertraglich vereinbarte Lohn in der letzten Zahlungsperiode vor Beginn der Kurzarbeit inklusive Ferienentschädigungen und vertraglich vereinbarter regelmässiger Zulagen. Vom Ausfall werden pro Abrechnungsperiode Karenztage abgezogen. In der ersten bis sechsten Abrechnungsperiode jeweils zwei Tage, in der siebten bis zwölften jeweils drei Tage.
Der Arbeitgeber muss die KAE bei der kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn schriftlich voranmelden. Die Amtsstelle prüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen des Betriebs für KAE erfüllt sind. Schliesslich muss der Arbeitgeber den Entschädigungsanspruch innert drei Monaten nach Ablauf jeder Abrechnungsperiode bei seiner Arbeitslosenkasse geltend machen.
Der Arbeitgeber muss seinen Angestellten 80% des Verdienstausfalls am üblichen Termin ausrichten. Die Karenzzeit geht zu seinen Lasten. Zudem muss er auch während der Kurzarbeit die vollen gesetzlichen und vertraglichen Sozialversicherungsbeiträge bezahlen.
Kurzarbeit während der Coronakrise
Während der Coronakrise haben Bundesrat und Parlament für eine begrenzte Dauer diverse Regelungen für KAE ausgeweitet. Die Befristungen wurden mehrmals verlängert.
Bis am 31. März 2022 gilt (zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses):
- Das summarische Abrechnungsverfahren
- Aufhebung der Karenztage
- Verlängerung der Nichtanrechnung von Einkommen aus Zwischenbeschäftigung
- Verlängerung der Nichtanrechnung von Mehrstunden aus Vorperioden
- Für Unternehmen, die der 2G+-Regel unterliegen, wird der Anspruch auf KAE für Arbeitnehmende auf Abruf mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag, Arbeitnehmende mit befristeten Verträgen und Lernende reaktiviert.
Bis am 30. Juni 2022 gilt:
- Bezugsdauer von maximal 24 Monaten innert einer Rahmenfrist von zwei Jahren (normal: maximal 12 Monate innert zwei Jahren)
Bis am 31. Dezember 2022 gilt:
- Aufhebung der Voranmeldefrist
- Bewilligungsdauer für Kurzarbeit von bis zu 6 Monaten
- Höhere KAE für geringe Einkommen (Geringverdienerregelung)
Informationen zum Vorgehen sowie Formulare zum Download unter arbeit.swiss.
Schlechtwetterentschädigung
Die Schlechtwetterentschädigung (SWE) leistet Lohnersatz für wetterbedingte Arbeitsausfälle von Arbeitnehmenden in bestimmten Erwerbszweigen. Dies unter der Bedingung, dass die Fortführung der Arbeit trotz genügender Schutzvorkehrungen technisch unmöglich, wirtschaftlich nicht vertretbar oder den Arbeitnehmenden nicht zugemutet werden kann. Der Arbeitsausfall muss mindestens einen halben oder ganzen Tag dauern.
Anspruch können unter anderem Firmen aus den Erwerbszweigen Hoch- und Tiefbau, Sand- und Kiesgewinnung, Geleise- und Freileitungsbau oder Landschaftsgartenbau machen. Keinen Anspruch haben z.B. die Arbeitgeber und Angestellte mit arbeitgeberähnlicher Stellung sowie deren Ehepartner sowie temporär Angestellte. Kein Anspruch entsteht zudem, wenn der Ausfall nur mittelbar auf das Wetter zurückzuführen ist oder es sich um saisonübliche Ausfälle der Landwirtschaft handelt.
Wie bei der KAE beträgt die SWE 80% des Verdienstausfalls bis zum UVG-Höchstbetrag. Vom Ausfall werden pro Abrechnungsperiode Karenztage abgezogen. In der ersten bis sechsten Abrechnungsperiode jeweils zwei Tage, in der siebten bis zwölften jeweils drei Tage.
Der Arbeitgeber muss der kantonalen Amtsstelle den wetterbedingten Ausfall spätestens am fünften Tag des folgenden Kalendermonats melden und den Entschädigungsanspruch innert dreier Monate nach Ablauf jeder Abrechnungsperiode für den ganzen Betrieb oder eine Betriebsabteilung bei seiner Arbeitslosenkasse geltend machen. Diese Frist beginnt mit dem ersten Tag nach der Abrechnungsperiode. Die Arbeitslosenkasse vergütet dem Arbeitgeber die Entschädigung, unter Abzug der Karenzzeit, in der Regel im Verlauf eines Monats. Sie vergütet die auf die anrechenbaren Ausfallzeiten entfallenden Arbeitgeberbeiträge an die AHV/IV/EO/ALV.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmenden 80% des Verdienstausfalls am üblichen Termin ausrichten. Die Karenzzeit geht zu seinen Lasten. Er muss während der Schlechtwetterphase die vollen gesetzlichen und vertraglichen Sozialversicherungsbeiträge gemäss der normalen Arbeitszeit bezahlen, wobei er die vollen Arbeitnehmerbeiträge vom Lohn abziehen kann.
Insolvenzentschädigung
Die Insolvenzentschädigung (IE) deckt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Den Arbeitnehmenden wird, für maximal die letzten vier Monate und bis maximal zum UVG-Höchstlohn, der nicht bezahlte Lohn für geleistete Arbeit entschädigt. Voraussetzung ist, dass über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet oder ein Pfändungsbegehren gestellt wurde.
Arbeitnehmende (inklusive Arbeitnehmende, die noch nicht beitragspflichtig sind) eines insolventen Arbeitgebers, der in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegt oder in der Schweiz Arbeitnehmende beschäftigt, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn:
- gegen den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und Arbeitnehmende zu diesem Zeitpunkt offene Lohnforderungen haben;
- der Konkurs nur aus dem Grund nicht eröffnet wird, weil wegen der offensichtlichen Überschuldung des Arbeitgebers kein Gläubiger bereit ist, die Kosten vorzuschiessen;
- Arbeitnehmende gegen den Arbeitgeber für Lohnforderungen das Pfändungsbegehren gestellt haben;
- die (stille) provisorische oder definitive Nachlassstundung oder ein richterlicher Konkursaufschub bewilligt wurde.
Keinen Anspruch auf IE haben Arbeitnehmende, die eine dem Arbeitgeber vergleichbare Funktion innehatten. So zum Beispiel, wenn jemand in der Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligter oder als Mitglied eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums (z. B. Mitglied des Verwaltungsrats einer AG oder geschäftsführende Gesellschafterin) die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen konnte. Auch der mitarbeitende Ehepartner hat keinen Anspruch auf IE.
Die IE deckt Lohnforderungen für vor dem entsprechenden Insolvenzereignis geleistete Arbeit. Allfällige Lohnforderungen, die nach der Konkurseröffnung entstanden sind, werden durch die Insolvenzentschädigung gedeckt, wenn in guten Treuen über die Konkurseröffnung hinaus weitergearbeitet wurde.
Für das gleiche Arbeitsverhältnis sind die Lohnforderungen für höchstens vier Monate gedeckt. Dies gilt auch, wenn sich mehrere Insolvenzereignisse (z. B. Nachlassstundung und in der Folge Konkurseröffnung) beim gleichen Arbeitgeber ereignet haben. Anteilsmässig werden auch ein allfälliger 13. Monatslohn oder Gratifikationen, Ferien- oder Feiertagsentschädigungen sowie andere Zulagen (besondere Entschädigungen für Überstunden, Schicht-, Nacht- oder Sonntagsarbeit usw.) berücksichtigt, sofern einen Rechtsanspruch besteht. Die Insolvenzentschädigung ist je Monat auf den maximalen versicherten Verdienst begrenzt.
Innert maximal 60 Tagen nach der Publikation des Konkurses im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) oder im kantonalen Amtsblatt müssen Arbeitnehmende alle Forderungen gegen den ehemaligen Arbeitgeber beim zuständigen Betreibungs- und Konkursamt (in der Regel am Geschäftssitz des Unternehmens) geltend machen sowie bei der kantonalen Arbeitslosenkasse des Kantons, in dem die Betreibung oder der Konkurs gegen den Arbeitgebenden eingeleitet wurde (die gesetzlich einzige zuständige Kasse) einen Antrag auf IE einreichen und die erforderlichen Unterlagen beilegen.
Finanzierung
Alle Arbeitnehmenden unterliegen der Beitragspflicht an die ALV, sofern sie nach dem AHVG obligatorisch versichert sind. Die Beiträge werden hälftig durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Der Beitragssatz beträgt aktuell bis zu einem AHV-Lohn von 148200 Franken 2.2%. Darüber gilt das Solidaritätsprozent: Auf dem Einkommen über 148200 Franken werden 1% Beiträge erhoben, die sich nicht auf die Leistungen auswirken.
Eine besondere Situation betrifft Personen mit arbeitgeberähnlicher Stellung – zum Beispiel Geschäftsführerinnen von eigenen kleinen Unternehmen. Sie sind zwar beitragspflichtig, sind aber von der Kurzarbeits-, Insolvenz- und Schlechtwetterentschädigung ausgeschlossen. Während der Coronakrise wurde ihnen ein beschränkter Zugang zur KAE ermöglicht.
Take-Aways
- Die Arbeitslosenversicherung kennt vier grundlegende Leistungsarten: Arbeitslosen-, Kurzarbeits-, Schlechtwetter- und Insolvenzentschädigung.
- Die Ansprüche auf Arbeitslosen- und Insolvenzentschädigung müssen die Arbeitnehmenden gegenüber der Arbeitslosenkasse geltend machen.
- Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigungen müssen die Arbeitgebenden bei den kantonalen Amtsstellen anmelden und mit der Arbeitslosenkasse abrechnen.
- Die Betriebe müssen bei KAE und SWE ihren Angestellten den Lohn respektive die Entschädigungen der Arbeitslosenversicherungen zum üblichen Termin auszahlen. Karenztage sowie die vollen Sozialversicherungsbeiträge gehen zu Lasten des Arbeitgebers.