Blackout in der Prüfung, Nervosität im Job, Muskelverspannungen, Schwitzen und fahrige Körpersprache bei Auftritten vor anderen Menschen – all dies sind körperliche Reaktionen auf Stress, die im schlimmsten Fall die eigene Leistung negativ beeinflussen. Sie selbst sind jedoch nicht die Auslöser von Konzentrationsproblemen, sondern nur Symptome. Aber der Reihe nach.
Unbewusst getriggerte Körperreaktionen
Zur Illustration unternehmen wir eine kleine Reise in archaische Urzeiten und stellen uns folgende Szene vor: Ein Urmensch trifft auf ein wildes, gefährliches Tier und hat nur zwei Optionen, kämpfen oder fliehen. In der Psychologie nennt sich dies der Fightor-flight-mode (der Begriff wurde vom US-amerikanischen Psychologen Walter Connan geprägt). Beides wird im Unterbewusstsein als eine lebensbedrohliche Situation eingestuft und setzt das vegetative Nervensystem und das Hormonsystem des Körpers in Gang.
Über eine Reaktionskette von der Hirnanhangsdrüse bis zur Nebenniere – die Stressachse – schiessen wie ein Feuerwerk innerhalb von nur 240 Millisekunden die Botenstoffe Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin in jede Körperzelle. Dadurch verändert sich im Körper automatisch die Atmung, der Puls geht nach oben, der Blutdruck verändert sich, die Pupillen werden weiter, die Muskelspannung verstärkt sich, alle Wahrnehmungsorgane reagieren sensibler auf Reize – und weil das gesamte System auf Hochtouren läuft, fängt man an zu schwitzen.
Solche physischen Stressreaktionen zeigen Menschen auch heute noch in akuten Situationen der Angst, Nervosität oder Unsicherheit. Jemand, der beispielsweise Angst hat, vor grösseren Menschenansammlungen zu sprechen, bekommt feuchte Hände, wenn man ihn auf eine geplante Rede nur anspricht. Diese Reaktion vollzieht sich blitzschnell wie auf Knopfdruck – ursprünglich hat sie Überlebensfunktionen wie Kampf- oder Fluchtbereitschaft aktiviert.
Was passiert im Gehirn? Wenn eine Information in Form eines elektrischen Impulses durch die Nervenzelle am Endstück (Axon-Endköpfchen) eintrifft, löst dieser Impuls eine Ausschüttung chemischer Botenstoffe in den synaptischen Spalt aus. Ein elektrisches Signal wird also chemisch. An der Membran der Empfängerzelle sitzen spezielle Rezeptoren für diese Botenstoffe, die die Information wieder in einen elektrischen Impuls umwandeln und weiterleiten. Im Falle einer Stresssituation, wie zum Beispiel bei Prüfungsangst, sendet das Gehirn entsprechende Botenstoffe und blockiert damit alle Synapsen, die nicht unmittelbar für die Lebenserhaltung zuständig sind. So kann es passieren, dass jemand in einer Prüfungssituation, die er als bedrohlich empfindet, plötzlich sein erlerntes Wissen nicht mehr abrufen kann. Das Gehirn stuft diese Prüfungsthemen als gerade unnütz ein. Ein typischer Blackout. Sobald die vermeintliche Bedrohung vorüber ist, ist alles wieder abrufbar. Dieser Blackout hat nichts mit Lernen oder Intelligenz zu tun. Er wird nur von der mentalen Situation – Angst oder nicht Angst – ausgelöst.
Angst als Kernursache
Wenn man sich diese grundlegenden Zusammenhänge vor Augen führt, wird deutlich, dass auch Konzentrationsstörungen ganz offensichtlich einzig ein Symptom sein können, die eigentlichen Ursachen aber häufig tiefer verborgen liegen. Bei Stressreaktionen greifen sowohl die Psyche als auch Prozesse in unserem Körper ineinander. Auffälligkeiten wie Schlafstörungen, Nervosität, Gereiztheit, Verdauungsprobleme oder Blackouts sind meist sekundäre Symptome. Diese dürfen nicht mit der Ursache verwechselt werden, dann würde man bei einem Coaching falsch ansetzen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen dazu neigen, sich bei solchen Anzeichen noch mehr Druck zu machen und sich «zur Selbstdisziplin» rufen wollen. Auch ist es völlig wirkungslos, die Situation herunterzuspielen. Sie wird dadurch nicht aufgelöst.
Ein Lösungsansatz besteht darin zu lernen, seine negativen Gedanken zu kontrollieren. Dies ist eine Sache des Trainings.
Wie wirkt Mentaltraining?
Es gibt drei Bereiche, die wir mit Mentaltraining beeinflussen können: unser Denken, unser Fühlen und unser Handeln. Handeln bezieht sich dabei auf alle äusserlich wahrnehmbaren Elemente wie Mimik, Auftreten, Körpersprache, Stimmlage oder bei einem Leistungssportler zum Beispiel auch auf die körperliche Koordination oder einen gezielten Bewegungsablauf. Im professionellen Mentaltraining erhält man ein persönliches Programm, das auf die individuellen Bedürfnisse, Ängste und Wünsche zugeschnitten sein muss. Dies nimmt vielleicht 3 – 5 Minuten am Tag in Anspruch, sollte aber täglich wiederholt werden. Menschen neigen dazu, ihre negativen Gedanken ständig zu wiederholen und tief im Unterbewusstsein zu verankern. Deswegen ist es wichtig, diesen negativen Gedanken eine Lösung mit der Kraft der Repetition entgegenzusetzen. Tägliche, einfache Übungen sind dabei viel wirkungsvoller als nur sporadische Wiederholungen.
Die Vorgehensweise
Es hilft Betroffenen nicht weiter, immer daran zu denken, wie sie nicht sein wollen. Es ist wichtig, das Wunschbild seiner selbst möglichst konkret beschreiben zu können, um so mit gezielten Visualisierungen arbeiten zu können.
Es ist entscheidend bei jeglichen negativen Symptomen, wie eben auch Konzentrationsstörungen, immer alle Elemente mit einzubeziehen und auch die physischen Bedürfnisse abzudecken. Die Maslowsche Bedürfnispyramide ist dafür ein anschauliches Modell (siehe Abbildung). Auf der untersten Ebene liegen die physiologischen Bedürfnisse. Wenn sich jemand zum Beispiel falsch ernährt, ständig Hunger hat, schlecht schläft, möglicherweise noch zu wenig trinkt und ständig Kopfschmerzen hat, ist es schwer, mentale Stärke zu entwickeln. Um nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten, ist es also entscheidend, sich auch den Bereichen der Ernährung, Schlafqualität, Zeitmanagement und körperlichen Fitness zu widmen, um langfristig ein gesundes Fundament für die psychischen Bedürfnisse zu gewährleisten.
Hier kann es um verschiedene Themen gehen: intellektuelle, sexuelle, Vertrauens-, Sicherheits-, Regenerations-Bedürfnisse – bis hin zu Traumata, Angstzuständen und Suizidgedanken. Was kommt eventuell zu kurz, wird ignoriert oder nicht zugelassen? Oder gibt es Sorgen im privaten Umfeld, die psychisch belasten? Solche Themen wirken häufig so, als hätten sie mit der eigenen Konzentration erstmal nichts zu tun. Aber wie bereits ausgeführt: Die eigentliche Ursache kann im Verborgenen verschiedene Symptome auslösen, beispielsweise auch Konzentrationsschwäche.
Wenn die Ursache gefunden wurde, geht es nur noch darum, nach vorne zu blicken. In dieser Phase ist es wichtig, ganz bewusst von Problemorientierung auf Lösungsorientierung umzuschwenken. In diesem Schritt wird man analytischer und verlässt die emotionale Ebene, um Sicherheit und Kontrolle zu gewinnen und somit seine Bestleistung abrufen zu können.
Der Weg der Lösungsorientierung
Wenn eine Trainerin nicht lösungsorientiert kommuniziert, kann sich ein Sportler kaum verbessern. Ebenso ist es mit Vorgesetzten: Professionelle, zielgerichtete und analytische Kommunikation ist entscheidend für die persönliche und berufliche Entwicklung eines Mitarbeiters – und zwar jeden Tag eine Teilstrecke zu einem grösseren Ziel. Realistische Zwischenziele vermitteln Erfolgserlebnisse und damit Motivation. Je enger die Zwischenziele gesteckt sind, umso grösser dieser Effekt. Dies ist in allen Lebenslagen eine probate Vorgehensweise, egal, ob es sich um das Üben des Abschlags im Tennis handelt, um Burnout-Prävention im Beruf oder Angstattacken im täglichen Leben. Wer lernt, die Gedanken im Hier und Jetzt zu kontrollieren, hat einen deutlich höheren Fokus.
Auf diesem Weg bieten wir als Mentaltrainer unseren Kunden verschiedene Hilfsmittel an, die auf die Individualität der Person – deren Wünsche, Bedürfnisse, Ziele – zugeschnitten sein müssen. Diese sollen umgehend in die tägliche Routine integriert werden können und zeitnah zu positiven Veränderungen führen, nach dem Grundsatz «simple, but strong». Die Bandbreite der Hilfsmittel reicht von strukturellen, visualisierenden, auditiven, taktilen bis hin zu analytischen Tools und hat u. a. Einfluss auf die Stressempfindung in den verschiedenen Situationen und somit auch auf die biochemischen Vorgänge im Körper.
Auch eine Notfallübung kann ein wichtiges Hilfsmittel sein, wenn man ein mentales Instrument braucht, um negative Gedanken zu stoppen. Oder eine Übung dazu, wie man Dinge akzeptiert, die man nicht ändern kann, ergänzt das Toolset. Häufig nutzen Menschen diese Tools noch nach Jahren ganz unbewusst. Diese Nachhaltigkeit ist erwünscht.
Wichtig ist, dass Menschen, die an Veränderungen arbeiten wollen, verinnerlichen müssen, dass sie selbst verantwortlich für ihr Handeln sind. Mit einer «Ja-aber-Einstellung» werden sie dieser Verantwortung nicht gerecht. Insofern entzieht sich die Entscheidung, ob man mit kleinen Übungen trainieren oder ob man regelmässig mit dem Audio arbeiten möchte, der Verantwortung des Trainers oder Coachs. Eine Person darf nicht abhängig vom Trainer oder Mentalcoach werden, denn dies würde in einer Stresssituation, in der sich ein Mensch selbst kontrollieren können muss, nicht weiterhelfen.
Wer selbst alles dafür tut, sich in Balance zu halten, und gelernt hat, Hilfsmittel einzusetzen, mit denen man auch unter Druck Selbstkontrolle herbeizuführen vermag, der ist auch in der Lage, in einen Flow-Modus «zu schalten».
Hochleistungsphasen: in den Flow kommen
Das Gehirn hat verschiedene Aktivitätsebenen, die sich anhand eines EEGs darstellen und messen lassen. Da sich das Unterbewusstsein in bestimmten Frequenzen effizienter trainieren lässt, nutzt man gezielte Übungen, um bewusst in diesen Zustand zu kommen. Dabei wird eine Phase angestrebt, in der das geistige Bewusstsein aktiv, der Körper jedoch tief entspannt ist. Jede Leistungsphase – egal ob im Sport oder geistig – muss von ebenso intensiven Erholungsphasen begleitet werden, sonst verursachen Folgen mangelnder Regeneration langfristig Probleme. Maximale Leistung ist also an maximale Entspannung gekoppelt, die trainierbar ist. Wenn man das schafft, kann man über Jahrzehnte leistungsfähig und gesund bleiben.
Wer im Flow arbeiten möchte und intensive Leistungsfähigkeit abrufen will, muss also gleichzeitig in der Lage sein, intensive Entspannung abzurufen. Beides muss man üben.
Was heisst mentale Stärke?
Abschliessend vielleicht noch ein Wort zum Begriff «mentale Stärke». Mentale Stärke bedeutet nicht, dass man nie wieder Angst hat oder nie wieder nervös sein wird. Es bedeutet jedoch, dass man seine beste Leistung abrufen kann, obwohl man Angst hat oder nervös ist.