Sicherheit ist mehr als ein Notfallknopf

Donnerstag, 26. September 2024 - Karen Heidl
Die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden steht bei der Ausgleichskasse Zug seit dem Attentat 2001 im Zentrum der Unternehmenskultur.

Kritische Situationen erleben die Mitarbeitenden in der Regel, wenn sie mit den Kundinnen und Kunden direkt konfrontiert sind. Techniken zur Deeskalation und zum Abbruch kritischer Situationen lassen sich zwar erlernen und anwenden – es geht aber auch darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man mit diesen Erfahrungen nicht allein ist, dass die Arbeitgeberin jederzeit Rückendeckung und Unterstützung gibt und dass ein Austausch mit Kolleginnen und Kollegen möglich ist.

«Dass die Mitarbeitenden wissen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssen, und dass uns die Themen Gesundheit und Sicherheit wichtig sind, prägt unsere Unternehmenskultur stark», sagt Romana Zimmermann, Direktorin der AK Zug, im Gespräch mit Penso. «Wir haben ein breites Spektrum von Kundinnen und Kunden, die in schwierigen Situationen sind. Das können gesundheitliche, finanzielle oder andere persönliche Situationen sein, die die Menschen belasten.» Deshalb gebe es ein gewisses Frustrations- und mitunter auch Aggressionspotenzial. Diese speziellen Herausforderungen im Kundenkontakt der AK Zug seien den Mitarbeitenden auch bewusst, so Zimmermann. Daraus könne allerdings auch erheblicher Stress entstehen.

Es sei deshalb wichtig, im Unternehmen eine offene Kommunikation zu pflegen und über solche Erfahrungen zu sprechen. Sehr schnell gelangten kritische Vorfälle zu den Führungskräften und würden gemeinsam im Team reflektiert werden, erklärt Markus Bürcher. «Bei der Entwicklung einer Sicherheitskultur war die Kontinuität in der Führung ein wichtiger Faktor», ergänzt Romana Zimmermann. Markus Bürcher und andere Personen hätten diese Entwicklung zu einer Kultur der Sicherheit der Mitarbeitenden als erste Priorität über den gesamten Zeitraum begleitet. Dies habe sich positiv auf die Kulturentwicklung ausgewirkt.

Sicherheitstrainings mit Schauspielern

Dass in den regelmässig stattfindenden Sicherheitsschulungen (siehe Seite 21) konkrete Fälle aus dem eigenen Alltag aufgegriffen und mit einem Schauspieler simuliert würden, führe zu einer eindrücklichen, intensiven Erfahrung: «Auch mir ist es eingefahren, die Situationen mit einem Schauspieler zu trainieren. Selbst wenn man weiss, dass es sich um einen Schauspieler handelt.»

«Mit einem Schauspieler zu trainieren, ist mir eingefahren.»

Die Juristin Romana Zimmermann ist seit 2020 Direktorin der Ausgleichskasse und IV-Stelle Zug, wo sie zuvor den Rechtsdienst leitete. Insgesamt ist sie seit über 17 Jahren bei der AK Zug tätig.

Das Feedback der Mitarbeitenden auf die Trainings sei sehr positiv, auch wenn sich manche vielleicht zur Teilnahme überwinden müssten. Im Ergebnis fühlten sie sich jedoch gut unterstützt. Dies wird von Janina Bietenholz, die sich als Fachverantwortliche Empfang im täglichen Kundenkontakt befindet, bestätigt: «Die Sicherheitsschulung war realitätsnah und sehr hilfreich. Ich habe wertvolle Tipps erhalten, die ich im Arbeitsalltag umsetzen kann: Zum Beispiel beruhige ich die Situation mit entsprechenden Fragen und zeige Verständnis. Mein Team und ich wissen, wie wir im Notfall reagieren müssen – das gibt uns Vertrauen und Sicherheit.»

Auch in privaten Situationen seien diese Kenntnisse zu Deeskalation und Gesprächsabbruch hilfreich, ergänzt Zimmermann. Über die Sicherheitstrainings hinaus bietet die AK Zug Kommunikationsschulungen an, in denen es unter anderen Schwerpunkten auch um gewaltfreie Kommunikation in Alltagssituationen geht.

«Nulltoleranz gegenüber drohenden Kundinnen und Kunden.»

Markus Bürcher ist Leiter Finanzen der AK Zug, für die er seit 19 Jahren tätig ist. Er verantwortete viele Jahre auch den Bereich Dienste, der Sicherheits- und Personalthemen umfasst.

Psychologische Sicherheit und Resilienz

Psychologische Sicherheit ist ein wichtiger Wirkfaktor für resiliente, sich selbst behauptende Mitarbeitende. In einer Zeit, in der gesamtgesellschaftlich die Häufung psychischer Störungen und Erkrankungen zunehme, sei Resilienz auch für die AK Zug ein wichtiges Thema, so Zimmermann: «Wir wollen den Mitarbeitenden Hilfestellungen bei der Prävention psychischer Erkrankungen bieten; es betrifft uns alle und somit auch diejenigen, die nicht im Kundenkontakt tätig sind.» Für psychologische Beratung steht den Mitarbeitenden ein externes Team zur Verfügung, das kontaktiert werden kann, ohne dass die AK Zug als Arbeitgeberin erfährt, wer aus welchem Grund eine Beratung eingeholt hat.

Markus Bürcher fasst prägnant zusammen: «Unsere Mitarbeitenden wissen: Es gibt eine Nulltoleranz gegenüber drohenden Kundinnen und Kunden. Das nimmt ihnen auch den Druck, sich in einer Eskalationssituation eventuell rechtfertigen zu müssen.» Zimmermann ergänzt: «Bei den ersten Schulungen, die durchgeführt wurden, haben wir festgestellt, dass die Mitarbeitenden eigentlich zu lange versuchen, im Gespräch zu vermitteln. Sie haben sich zu viel gefallen lassen. Auch haben sie über Konflikte erst dann mit ihren Führungskräften gesprochen, wenn die Eskalation weit fortgeschritten war, da sie glaubten, die Probleme selbst lösen zu müssen.» Dies habe sich gewandelt. Die Mitarbeitenden wissen, dass sie Unterstützung in jeder Situation erhalten, dass sie immer über alles sprechen und sich Rat oder konkrete Hilfe holen können. Der Grundsatz der AK Zug: «Jedes Anliegen muss Platz haben.»

Take Aways

  • Die erfolgreiche Entwicklung einer Sicherheitskultur in
    der AK Zug führt die Geschäftsführung auf zwei Haupt­faktoren zurück: Kontinuität in der Führung und intensiv erlebbare Schulungen mit Simulationen.
  • Sicherheit und Gesundheit nehmen bei der AK Zug einen hohen Stellenwert ein. Aus diesem Grund liegt der Fokus aktueller Schulungen neben Sicherheitstrainings auf dem Thema Resilienz. Die Fokus-Themen werden im Dreijahresrhythmus aktualisiert.
  • Mitarbeitende der AK Zug erhalten Unterstützung in kritischen Situationen und werden ermutigt, frühzeitig Hilfe zu suchen, was die psychologische Sicherheit und damit die Unternehmenskultur und den Umgang mit Stress und Bedrohungen nachhaltig positiv beeinflusst hat.

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