Kadervorsorge: Das Wissen zu 1e-Plänen reicht oftmals nicht sehr weit

Dienstag, 26. April 2022 - Claudio Zemp
Anbieter sind nach wie vor begeistert von 1e-Plänen, weil das luftige Lohnklassensegment und die Wachstumsraten traumhaft sind. Doch 1e ist nicht das Nonplusultra aller Kadervorsorgelösungen; es gibt Alternativen, mit Vorteilen für Versicherte und Arbeitgeber.

Herr van Dam, welche Kadervorsorge ist derzeit «state of the art»?
Vorab: Seit 10 Jahren bin ich mehrheitlich für inhabergeführte KMU tätig. Dort sind die Lohngebilde weniger umfangreich und dynamisch als etwa bei international tätigen, börsenkotierten Konzernen. Es gibt aber einen grossen Gestaltungsraum in der beruflichen Vorsorge. Ich stelle immer wieder fest, dass dieser bei vielen HR-Personen wenig bekannt ist. Auch in der Umsetzung sehe ich grosse Unterschiede. Man kennt in der Regel höchstens seine eigene Pensionskasse. Seitens Firmen ist das Benchmarking von Vorsorgeplänen immer gefragter. Und dass man den Versicherten je nach Finanzierung Wahlpläne anbietet, ist auch im Trend.

Ist die Vorsorge ein Thema in Bewerbungsgesprächen für Kaderstellen?
Bei vielen ist es kein Thema. Aber es kommt vor, dass Wahlpläne angesprochen werden. Generell hat der gesellschaftliche Stellenwert der beruflichen Vorsorge im letzten Jahrzehnt wesentlich zugenommen. Ältere Stellenbewerber interessiert das schon. In umkämpften Branchen wie IT, Finanz oder Pharma fragen sie nach und möchten die neue PK-Lösung mit ihrem bisherigen Arbeitgeber vergleichen. Da ist aber das Problem, dass dies für Laien schwierig bleibt. Oft haben sie drei Variablen präsent: Verzinsung, Umwandlungssatz und Wahlpläne. Weiter geht das Wissen oftmals nicht, aber das reicht nicht, um Vorsorgelösungen sinnvoll miteinander zu vergleichen.

Man hört viel von 1e-Plänen? Was ist dort zu beachten?
Ein Angebot an Wahlplänen setzt voraus, dass der Arbeitgeber mehr finanziert als der Arbeitnehmende. Das wird oft vergessen und ist auch nicht überall so umgesetzt.

Ist ein Ende des 1e-Booms absehbar?
Nein. Die Individualisierung in der beruflichen Vorsorge wird weitergehen. Insofern sehe ich auch kein Ende des 1e-Wachstums. Aber man muss sehen: Die 1e-Lösungen sind sehr stark von den Anbietern getrieben: Für Banken und internationale Beratungsgesellschaften ist dies ein interessantes Geschäftsfeld. Wobei nach einer sehr langen Börsen-Ralley die Märkte nun ins Stocken geraten sind. Die Kunden werden sich nun wieder vermehrt der Risiken von Aktien bewusst.

Worin liegt das Interesse des Arbeitgebers an solchen rentenfreien Lösungen?
Für börsenkotierte Unternehmen sind die Vorteile im Sinne des De-Risking nachvollziehbar, da dies zur wesentlichen Vereinfachung der Bilanz führt. Aber auch für nicht-kotierte Grossunternehmen können 1e-Lösungen eine Entlastung sein, da so die individuellen Präferenzen des Kaders am besten und für die Firma am einfachsten umgesetzt werden können. Für Firmen mit einem kleinen Kaderkreis ist der Einstiegsaufwand für eine 1e-Lösung häufig zu gross: Für solche Firmen sind einfache, robuste Lösungen in der Regel praktikabler. Was ich klar empfehle: Jede Firma sollte die Betreuung der PK-Lösung an einen spezialisierten Berater übergeben. Dieses Thema sollte losgelöst werden vom Versicherungspaket. Ein Broker für alles ist oft nicht das Gelbe vom Ei.

Gibt es Alternativen zu 1e-Plänen?
Der Markt hat sich im Bereich der klassischen Kader-/Zusatzvorsorge weiterentwickelt. Auch hier gibt es eine Vielfalt an Optionen und Anbietern. Und teilweise haben diese im Vergleich zu 1e-Lösungen wirklich Vorteile. Zum Beispiel haben sie bei einer klassischen Lösung oft ein viel höheres Einkaufspotenzial, aus zwei Gründen: Weil erstens der ganze Lohn versicherbar ist und so viel grössere Lohnanteile versichert werden können als bei 1e. Zweitens kann bei der klassischen Kadervorsorge das Einkaufspotenzial mit einem Zinssatz hochgerechnet werden, was ein deutlich grösseres Einkaufspotenzial ergibt.

Hat sich das konservative Verhalten der Versicherten geändert?
Nicht grundlegend. In der Finanzbranche selber fordern viele Leute selber die Wahlmöglichkeit, die auch in der Lage sind, damit umzugehen. Aber es gibt auch Leute, die das einfach mal machen, weil es ein Broker vorgeschlagen hat. Sie sind eher passiv in der Strategiewahl, risikoscheu bis risikoavers.

Hand aufs Herz: Was spricht für die Rente?
Die Rente gibt Sicherheit, insbesondere in anspruchsvollen Zeiten. Kapital ist zwar steuerlich attraktiv, bedingt aber ein erhöhtes Engagement. Eine Mischlösung wird vielfach die Lösung sein.

1e: Die Kirsche auf der Vorsorgetorte der Chefetage

ze. Seit 2017 gibt es in der Schweiz «1e-Pläne», benannt nach Art. 1e der BVV 2 Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Nach dem amerikanischen Vorbild der «401K»-Sparpläne erhält der Arbeitnehmende beim Austritt aus der Firma keine Rente, sondern nimmt das ganze Sparkapital mit. Beim Eintritt kann der Versicherte entscheiden, wie die Vorsorgestiftung sein Geld anlegt. Der Versicherte – und nicht wie sonst üblich der Arbeitgeber und die Pensionskasse – trägt also auch das Risiko eines Verlusts allein. In der Schweiz sind die 1e-Wahlpläne ausschliesslich auf Lohnanteile oberhalb von derzeit rund 130000 Franken beschränkt. Diese Sparart steht also nur einer Minderheit von Topverdienenden offen, die nur den Sahneanteil ihrer Vorsorge so versichern kann. Darüber hinaus dürfen nicht mehr als 10 Anlagestrategien angeboten werden, wovon eine gemäss Vorschriften «risikoarm» sein muss. Mittlerweile gibt es aber mehr als ein Dutzend 1e-Stiftungen, die jährlich zweistellige Wachstumsraten verzeichnen.

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